Für eine Handvoll Almosen

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Kürzlich berichteten einige Medien vom Friendly Service, einer Firma, deren freundlicher Service darin besteht, Mitarbeiter nicht zu entlohnen, sondern sie der Spendierlaune ihrer Kunden auszusetzen. Dabei handelt es sich um eine besonders dreiste Form des Parasitismus. Die Firma vermittelt junge Menschen, bevorzugt gebildete Jungspunde an Supermärkte, staubt eine kleine Prämie ab und läßt den Vermittelten nicht daran teilhaben. Dafür dürfen die im Polo-Shirt Uniformierten die Waren vom Fließband der Supermarktkassen grabschen und fein ordentlich in Tüten verstauen. Wer besonders demütig zu Werke geht, seinen Dienst leise und kompetent verrichtetet und auch das obligatorische Lächeln nicht verbummelt hat, dem ist ein kleiner Groschen als Symbol der Anerkennung sicher - oder auch nicht. Die Willkür der Kundschaft ist gnadenlos, zumal sie nicht immer weiß, dass diese Arbeitskräfte keine Lohnempfänger des Supermarktes sind, sondern von der Straße geholte Bettelstudenten.

Als deutsche Wiege dieser freundlichen Leistung gilt die oberbayerische Stadt Ingolstadt, Heimatstadt des Autors dieser Zeilen und leider auch Heimatstadt der besagten Firma. Dem Autor fielen diese oft naiv dreinblickenden Jünglinge schon vor einigen Jahren auf, jedoch wußte er nicht, dass es sich dort um kostenlose Arbeitskräfte von Trinkgelds Gnaden handelte, denen nicht einmal ein Grund- oder Basislohn zusteht. Eine Weile munkelte man in Ingolstadt, es handelte sich um Ein-Euro-Arbeitskräfte, vermittelt von der Behörde. Doch natürlich bahnte sich die Wahrheit behäbig ihren Weg - schnell bahnt sich nur die Lüge Wege, die Wahrheit ist immer eine Schnecke. Aber erst seitdem einige einflussreichere Medien davon berichteten, seitdem die Praxis von Friendly Service nachteilig dargestellt wurde - wie auch sonst? -, entrüsteten sich immer mehr Menschen.

Und es hat gefruchtet, die örtliche Journaille berichtet in ihren Printausgaben, dass sich einige Ingolstädter Supermärkte von diesem Service trennen möchten. Sie fänden es sittenwidrig, Menschen unter solchen Konditionen (eigentlich zu gar keinen Konditionen!) arbeiten zu lassen. Man wolle das nicht mehr unterstützen und habe vor, die Zusammenarbeit aufzukündigen. Herrlich heuchlerisch! Als ob die Supermärkte jahrelang nicht gewusst hätten, mit welcher Art von Räubertum man es hier zu tun hatte. Man hat sich blind gestellt und nun, da schlechte Presse ins Haus flatterte, zumal in Zeiten, da Ingolstädter Supermärkte über ausbleibende Kunden jammern, nun reitet man die Unschuldsnummer. Wir haben doch nichts gewusst! Wie flexibel Unternehmen doch reagieren können, wenn aus einer Handvoll Kritikern öffentliche Kritik wird. Außerdem steht man kurz vor Weihnachten. Wer will denn zur Adventszeit schon unmoralisch sein?

Weniger Bedenken haben die Einpacker selbst. Sie fühlen sich um ihre Einnahmequelle betrogen. Das verwundert wenig - wenn man die Internetpräsenz des Unternehmens besucht, versichern einige der prekär Beschäftigten überschwänglich, wie sensationell es sei, bei Friendly Service versklavt zu sein. Man wird schon von Anfang an dafür Sorge tragen, dass nur solche dort tätig werden, die einen pathologischen Hang zum Masochismus haben. Ebenso entrüsten sich manche Kunden, die es bequem fanden, ihre Ware eingepackt zu bekommen. Prekäre Beschäftigung erhalten, lautet ihr Credo, damit diese Bequemlichkeit nicht verloren geht: an dieser Stelle wurde ja schon desöfteren von Egomanie gesprochen, die unsere Zeit marmoriert - tragisch, dass sich das wieder einmal unterstreichen läßt. Auf der einen Seite Neigung zum Masochismus, auf der andere Seite Bereitschaft zum Sadismus - man erkennt die ganze Verwegenheit eingeimpfter Arbeitsmarktideologien. Hauptsache Arbeit! Solche Maximen sind verinnerlicht, sosehr, dass niemand mehr daran zu rütteln scheint. Ehrenhaft ist, wer kostenlos arbeitet; ein Querulant ist, der auf Sitte und Arbeitnehmerrechte achtet...

36 Kommentare:

endless.good.news 10. Dezember 2009 um 10:58  

Eigentlich nur noch eine Frage der Zeit bis das zu einer allgemeinen Idee wird. Man kann doch auch die Kassierer so entlohnen, oder den Handwerker, oder, oder, oder.
Das schöne als Unternehmer ist dann ja, dass das Risiko abgegeben wird. Friendly Service hat keines. Das ist eigentlich das schlimme daran. Für mich ist das eine Art legale Schutzgeldzahlung. Wer nicht zahlt kann nicht dort arbeiten. Krank.

Anonym 10. Dezember 2009 um 11:07  

Ich verstehe, dass einem diese Art von Geschäften nicht gefallen, aber :

Was ist denn die Alternative für Anbieter und Kunden im konkreten Fall ?

Das ganze Geschäft findet zu anderen Bedingungen eben nicht statt. Ist das besser ?

ad sinistram 10. Dezember 2009 um 11:12  

Klipp und klar: Ja! Warum muß es zum Einpacken eine Alternative geben? Wie wäre es selbst einzupacken? Oder noch besser: Warum eignet sich das nicht auf Mini-Job-Basis? Wenn letzteres nicht klappt, dann findet das ganze Geschäft eben nicht statt. Das ist kein Fatalismus, das ist fiat iustitia et pereat mundus.

ollstjupit 10. Dezember 2009 um 11:25  

sin mer jetzt schon so weit, daß man nimmer selbst einpacken kann? die leute in dem land spinnen doch fast alle. kunden sind tyrannen.

Anonym 10. Dezember 2009 um 11:33  

Natürlich *muss* es zum Einpacken keine Alternative geben. Aber in einer freien Wirtschaft wird man wohl mal ein Geschäftsmodell ausprobieren dürfen.

OK,OK, freie Wirtschaft wollt Ihr nicht. Da habt Ihr ja Glück, dass wir sie auch nicht haben.

Niemand ist gezwungen, an solchen Geschäften teilzunehmen, im Gegensatz zu den Aktionen des Staates, da dürfen wir nicht verzichten.

ad sinistram 10. Dezember 2009 um 11:38  

Hier muß niemand versuchen, mich oder die Kommentatoren in eine Ecke zu drängen. Wenn die Wirtschaft frei wäre, wirklich frei wäre, könnte man über viele Modelle sprechen, die in einem unfreien Modell nicht statthaft sein können. Ein solches Modell zerpfückt den Arbeitsmarkt und ruiniert Menschen, die einen Basislohn benötigen. Sowas könnte nicht nur Schule machen, es macht Schule. Erst wenn die eigenen Arbeitsplätze irgendwann von Trinkgeldlöhnern gefährdet sind, wird das Gejammere groß. Grundsätzlich ist ein Einpackservice sowieso ein Geschäft, mit dem sich nur auf diese unlautere Basis umgehen läßt. Man muß auch nicht jeden Arschputz-Service als Modell betrachten, das Berechtigung hätte.

maguscarolus 10. Dezember 2009 um 11:51  

@ Anonym

>>
Ich verstehe, dass einem diese Art von Geschäften nicht gefallen, aber :

Was ist denn die Alternative für Anbieter und Kunden im konkreten Fall ?

Das ganze Geschäft findet zu anderen Bedingungen eben nicht statt. Ist das besser ?
<<


Was soll man bei dir eigentlich zwischen den Zeilen lesen, dass du so viel Platz dafür lässt?

Im übrigen ist die von dir vertretene Meinung ein Paradebeispiel für die Zerstörung, der das Solidaritätsdenken seit nunmehr bald 30 Jahren in diesem Lande ausgesetzt ist.

Anonym 10. Dezember 2009 um 12:18  

Was ist also freie Wirtschaft bei Euch ? Bei mir ist es einfach:

* Unversehrtheit der Person
* Privateigentum
* Vertragsfreiheit

alles unbeschränkt. Staat - wenn überhaupt - nur, um diese Rechte gegen gewaltsame Übergriffe zu schützen.

Amelia 10. Dezember 2009 um 12:23  

Als ich früher vom Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft gehört habe, habe ich naiverweise geglaubt, es gäbe künftig mehr gute Handwerker, mehr Erzieher und Sozialarbeiter, mehr Verkäufer, die sich gut mit ihrer Ware auskennen und die Kunden beraten... Das wären allerdings alles Berufe, die eine längere Ausbildung und anständige Arbeitsbedingungen erfordern, und die vermutlich niemandem helfen, seine Rendite zu maximieren. Deswegen entstehen solche Jobs auch gar nicht, im Gegenteil, sie werden weiter abgebaut. Was gibt es stattdessen immer mehr? Miserabel bezahlte Call-Center-Agenten, die Senioren Lotterielose aufschwatzen müssen, Menschen, die unter Lebensgefahr an Autobahnauffahrten Zeitungen verkaufen oder die Kaffee-Verkaufswagen durch überfüllte Bahnwaggons schieben müssen, und nun auch noch Tüteneinpacker für Trinkgelder. Ich möchte wieder einen Sozialstaat, der Menschen nicht zwingt, solche Berufe auszuüben.

Anonym 10. Dezember 2009 um 12:42  

@anonym: freie wirtschaft, das waere evtl. ein toller name fuer eine kneipe, mehr aber auch nicht

und als geschaeftsmodell ... warum sucht sich der supermarkt nicht selber seine freiwilligen einpacker/sklaven?

achso, dann koennte so ein skrupel-, charakter- und schamloser "geschaeftsmann" nicht die hand aufhalten und praktisch leistungslos die leistung anderer ausbeuten um als leistungstraeger dazustehen

zum kotzen das man ueber sowas ueberhaupt diskutieren muss :((

klaus baum 10. Dezember 2009 um 13:15  

"friendly service" - noch so ein euphemismus, der das gegenteil von dem besagen will, was er in wirklichkeit ist: ein ausbeuterverein.

als ich vor einiger zeit einen privatarzt interviewte zum thema schweinegrippe, fand ich auf meiner rechnung das honorar für eine beratung wieder. vor fünfzehn jahren rief mich ein oberstudienrat an, wir verabredeten uns in der stadt, und plötzlich eröffnete er mir, er wolle nun genaueres über kants kritik der urteilskraft wissen. der studiendirektor, er war fachleiter für kunstlehrer, hat gut verdient im gegensatz zu mir. aber für die stunde beratung habe ich keinen pfennig gesehen.
ich will mit dieser episode sagen, dass arbeit, leistung angemessen vergütet werden muß, damit jeder einnahmen hat, von denen er leben kann.

Amelia 10. Dezember 2009 um 13:21  

Wofür, um Himmels willen, ist eigentlich dieses Unternehmen gut? Wenn die Welt so funktionieren würde, wie es die klassische BWL behauptet, würden sich diese Schüler oder Studenten lieber selbständig hinter die Kassen stellen, ihre Preise vor Erbringung jeglicher Dienstleistungen nennen und natürlich die kompletten Einnahmen behalten. Wie, dann würden die Kunden das aber als ganz normales Erwerbsmodell ansehen und nicht als "freundlichen Service" ihres Supermarktes? Na, so ein Pech aber auch.

Und was die Trinkgeld(un-)kultur überhaupt betrifft: Vielleicht bin ich die einzige, der es so geht, aber mir gehen in ärmeren Ländern all die Dienstleister, die um mich herumschwarwenzeln, um vielleicht ein Trinkgeld abzustauben, fürchterlich auf die Nerven. Ich brauche diese Dienstleistungen nicht, und noch schlimmer, ich stelle mir ständig vor, ich müsste an deren Stelle sein - und ich kann diesen Getranken nicht ertragen. Dagegen finde ich es völlig in Ordnung, einen Sozialstaat mitzufinanzieren - wiederum weil ich weiß, dass mir diese Variante als Bedürftige auch selbst viel lieber wäre als das Buhlen um jeden Cent. Es ist ganz einfach eine Welt, in der ich lieber lebe. Warum sehen das so viele Leute anscheinend anders?

Und im Übrigen, Trinkgelder: Eine nette Geste, eine Art Ausgleich dafür, dass man als Dienstleister fremden Menschen oft sehr nahe kommen muss, oder eine kleine Entschädigung für besondere Umstände, die jemand bereitet. Aber als Haupteinkommensquelle? Da läuft irgend etwas gewaltig schief.

epikur 10. Dezember 2009 um 14:04  

@anonym

Dass niemand gezwungen sei in der ach so freien Marktwirtschaft zur Lohnarbeit oder eben zur Sklavenarbeit, wie hier beschrieben, ist und bleibt ein Mythos. Roberto hat es ganz deutlich beschrieben: die Sklaven-Arbeitsmoral wurde derart verinnerlicht, sodass sich jeder der nicht schuftet, mies und dreckig fühlt.

In diesem Fall wird einfach - wieder einmal- ausprobiert, wie weit man gehen kann. Es gibt auch schon Vorschläge die 1-Euro-Jobs auf nicht-gemeinnützige Tätigkeiten auszuweiten. Für 1 Euro am Fließband bei Siemens! Die werden nicht aufhören, bis wir die Zwangsarbeit wieder haben. Merkt ihr das nicht?

Unsere ganze Gesellschaft basiert auf Zwängen, die als Freiheiten tituliert werden!

Jutta Rydzewski 10. Dezember 2009 um 14:09  

@ zu Anonym 10. Dezember 2009 11:07

Zunächst einmal geben Sie vor zu verstehen, um aber dann das Aber sofort nachzuschieben:

"Ich verstehe, dass einem diese Art von Geschäften nicht gefallen, aber:"

Ja was denn nun, verstehen oder aber? Fast vermute ich, dass Sie zu "einem" gehören, denen diese Art von Geschäften gefällt, oder?

Dann fragen Sie:

"Was ist denn die Alternative für Anbieter und Kunden im konkreten Fall?"

Anstatt Ausbeutung Anstand, wäre z.B. die Alternative, und das nicht nur im konkreten Fall sondern grundsätzlich. Was halten Sie davon?

Sie schließen ab mit der Feststellung:

"Das ganze Geschäft findet zu anderen Bedingungen eben nicht statt. Ist das besser?"

Diese erbärmliche Ausbeutung Geschäft zu nennen ist bereits der blanke Zynismus. Insofern erübrigt sich die Beantwortung Ihrr Frage.

Wenn Sie erlauben habe ich aber auch eine Frage, und ich beziehe mich dabei auf eine Passage des Eingangsbeitrags:

"Auf der einen Seite Neigung zum Masochismus, auf der andere Seite Bereitschaft zum Sadismus" ...

Zu welcher Seite neigen Sie? Oder sind Sie sowohl als auch, also Sado-Maso?

Für Ihre Antwort bedanke ich mich bereits jetzt.

mfg
Jutta Rydzewski

Manul 10. Dezember 2009 um 14:29  

@Anonym: Ich denke mal, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir alle für eine freie Wirtschaft sind, wo Subventionen wirklich nur Hilfen und zeitlich begrenzt sind, um bestimmte Innovationen anzukurbeln. Ohne Extrawürste für irgendwelche Banker und ohne staatliche Zuschüsse für Firmen, die nicht in der Lage sind ihre Mitarbeiter anständig zu entlohnen. Aber das Ganze bitte auf einer demokratischen Basis, wo Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichberechtigte Partner sind, wenn es um Rechte und Pflichten geht und wo auch wirklich Angebot und Nachfrage den Markt beherrscht.

Hier liegt nämlich der Hund begraben - unser Wirtschaftsliberlismus beschränkt sich nur auf die Freiheit des Geldes. Deshalb werden auch oft einfache Grundsätze vergessen, denn laut der neoliberalen Lehre bedingt das Angebot die Nachfrage und nicht umgekehrt. Deshalb wird in den Chefetagen der Unternehmen auch gern vergessen, dass die eigenen Arbeiter auch Kunden sind, die bei nicht ausreichenden Löhnen als Kunden gar nicht auftreten können - und machen das alle, zerstört das nachhaltig die Konsumnachfrage, wie es z.B. in Deutschland der Fall ist. Um das zumindest in einigen Ländern zu kompensieren sind dann die Finanzgenies auf die Idee gekommen die Menschen in die Schulden zu treiben und damit auch noch ein dickes Geschäft zu machen, was uns letzlich die aktuelle Krise beschert hat, die ihr Ende erst überhaupt noch finden muss. Und eines steht fest: parasitäre Geschäftsmodelle, wie das im Artikel beschrieben, tragen viel dazu bei, dass diese Krise noch ganz anderen Ausgang findet.

Amelia 10. Dezember 2009 um 15:21  

Es wird immer wieder vergessen, dass der Arbeitsmarkt eben kein normaler Markt ist. Wer ein altes Auto nicht zum vernünftigen Preis loswird, behält es normalerweise, wer aber seine Arbeitskraft nicht zu anständigen Preisen auf den Markt bringen kann, der behält sie nicht, denn sonst müsste er verhungern oder seine Kinder verhungern lassen. Er würde alles tun, um trotz allem ein bisschen Essen nach Hause zu bringen, würde sogar nur für Trinkgelder arbeiten - auch dann, wenn es den Prozess des Verhungerns nur herauszögert. Wenn es weniger Stellen gibt, als benötigt werden (und angesichts der Produktivitätsfortschritte, die wir hatten, ist das wohl unvermeidlich), kann sich diese Spirale im Grunde unbegrenzt nach unten drehen.

Es ist eben nicht so, dass Supermärkte automatisch mehr Kassiererinnen einstellen, nur weil sie billiger geworden sind. Oft finden Supermarktbetreiber es viel besser, dass sie die gleiche Zahl an Angestellten nun nicht mehr so teuer bezahlen müssen. Schließlich kaufen Kunden auch dann ein, wenn sie an der Kasse Schlange stehen müssen... Stattdessen nutzen sie die "überschüssigen" Arbeitskräfte, um sie kostenlos gegen Trinkgeld als Einpacker zu beschäftigen.

Der einzige mir bekannte Mechanismus, der solch eine Abwärtsspirale innerhalb einer Marktwirtschaft wirksam verhindert, ist der Sozialstaat. Und warum sollten wir uns diesen Sozialstaat nicht leisten können - gerade angesichts besagter Produktivitätsfortschritte?

willi 10. Dezember 2009 um 15:27  

Bei Beträgen wie dem von Anonym frage ich mich jedes mal, ob es nicht nur dummes Getrolle ist, weil man kaum so wenig Anstand oder Verstand haben kann, dass man ernsthaft so argumentiert.
---
"Hauptsache Arbeit!": Deshalb ist ja auch immer von Arbeit und Beschäftigung die Rede. Der Punkt ist gar nicht, den Leuten ein hinreichendes Einkommen zu verschaffen, sondern sie zu beschäftigen -das reicht schon als Anspruch.

Anonym 10. Dezember 2009 um 15:37  

Job auf Trinkgeldbasis?

Da hab ich eine tolle Idee. Unsere Minister werden so bezahlt.

Dann überweisen die Bürger, die mit den Leistungen zufrieden sind, eben einen € pro Monat.

Christian Klotz 10. Dezember 2009 um 16:11  

Vermutlich interessiert unseren Anonymus nichts von den vorgebrachten Einwänden.
Dann kann ich ruhig noch einen gegen seine juristische Plattköpfigkeit aus dem Sozialkundebuch vorbringen, weil er sie eh nicht versteht.
Mit der Vertragsfreiheit ist das so: man kann Autos, Kapitalien, sonstigen Dreck auf Halde legen. Den Hunger nicht.
Und: solange einer nicht verhungert ist, liegt eindeutig die Unversehrtheit seiner Person vor.
Unser Thema ist und war die Alternativlosigkeit der Vertragsfreiheit.

Anonym 10. Dezember 2009 um 16:15  

Lieber Roberto,

"Auf der einen Seite Neigung zum Masochismus, auf der andere Seite Bereitschaft zum Sadismus - man erkennt die ganze Verwegenheit eingeimpfter Arbeitsmarktideologien".
Leider nicht nur Arbeitsmarktidiologie, nein, so sind leider die Menschen...Jedenfalls finden sich immer genug für solche Zustände wie die beschriebenen.

Anonym 10. Dezember 2009 um 16:39  

Friendly Service selbst stellt auf ihrer Firmenseite den kritischen Artikel "Wirbel um Einpacker an der Kasse" aus dem Donaukurier vom 09.12.2009 ins Netz. Dort wird der Geschäftsführer des Unternehmens zitiert mit: "Wir haben unzählige Bewerbungen von Schülern und und Studenten, die den Job gerne machen möchten." und "Es ist doch das absolute Gegenteil von Ausbetuerei, wenn die Schüler und Studenten das für sich selbst und absolut frewiliig machen."

Im Falle vieler Studenten ist ihm uneingeschränkt Recht zu geben: Es ist schlicht eine Investition in ihre Karriere. Gerade in der Oberschicht ist es durchaus üblich, den bestens abgesicherten Nachwuchs finanziell an der kurzen Leine zu halten und zu solchen Jobs zu ermutigen, um sich etwa die Zigaretten zu finanzieren. Ich habe in meiner Studienzeit mehrere dieser blasierten Karrieretypen erlebt, die mit ernster Miene von den knallharten Supermarkt-McJobs erzählten, auf denen sie seinerzeit den Ernst des Lebens erfahren hätten. Gerne verwendeten sie diese als Argument, um ihre konsequent neoliberale Einstellung als harte Realität gegen linke Illusionisten zu verteidigen.

Ein Friendly-Service-Abschnitt im Lebenslauf eines BWL-Absolventen, mit (da nicht nachprüfbar) erlogenem Überdurchschnitts-Trinkgeld dank "kommunikativer" Kundenorientierung, kann der entscheidende Pluspunkt im erbarmungslosen Konkurrenzkampf um die begehrten Besserverdiener-Posten in den Teppichettagen sein.

Dieser Artikel und der Vorherige mit dem Traven-Zitat bilden eine Einheit: "Unteroffiziere, die von oben kommen, sind nicht zu gebrauchen; sie müssen von unten kommen, gestern noch geprügelt worden sein, dann sind sie gut zu gebrauchen, die können am besten prügeln."

ad sinistram 10. Dezember 2009 um 17:52  

Lieber Anonym von 16:39 Uhr, schön, dass Du das gemerkt hast. Das war meine Absicht, wollte das Zitat und den Artikel zusammen bringen. Freue mich, dass das erkannt wurde.

Anonym 10. Dezember 2009 um 19:46  

@anonym 12:18
"Was ist also freie Wirtschaft bei Euch ? Bei mir ist es einfach:

* Unversehrtheit der Person
* Privateigentum
* Vertragsfreiheit"

Wenn Sie auslegungsbedürftige Begriffe, mit auslegungsbedürftigen Begriffen definieren, ohne diese weiter zu erklären, haben Sie nichts gesagt, hätten also genausogut schweigen können.

"alles unbeschränkt."

Es gibt jede Menge Artikel, die sich mit der Erläuterung der oben genannten auseinandersetzen, lesen Sie sie! Ein zarter Hinweis darauf warum, sei ein Zitat von Dostojewski: Unbeschränkte Freiheit führt zu unbeschränktem Despotismus.

"Staat - wenn überhaupt - nur, um diese Rechte gegen gewaltsame Übergriffe zu schützen."
1. Schon wieder unbestimmte Begriffe, die nicht definiert werden.
2. Haben Sie irgendeine Ahnung von Ökonomik? Wissen Sie wie teuer es wäre, die gesamte Infrastruktur, die staatlich bereitgestellt wird, privat anzubieten? Denken Sie ernsthaft, Staaten existieren nur, um einzelnen Unternehmen das Leben schwer zu machen? Oder die armen Leistungsträger zu plündern? Wer heute nicht mehr umverteilt, hat morgen ein fettes träges Oligopol aus Ex-Leistungsträgern bzw. deren Nachfahren, die sich nur noch für die Erhaltung des Status quo interessieren und zu Innovationen, die gesamtwohlfahrtssteigernd sein könnten, gar nicht mehr in der Lage sind. Auf der anderen Seite stünde eine breite Masse von Menschen, die nur noch mit dem Gedanken ans Überleben des laufenden Tages beschäftigt wäre, und aus diesem Grunde ebenfalls wenig innovativ wäre. Genau deshalb brauchen Sie eine Mittelschicht - möglichst breit aufgestellt und durchlässig. Die erhalten sie nur durch Einschränkung der Freiheiten einzelner, etwa in dem Sie Gesetze zu Mindestlöhnen erlassen oder Äquivalente schaffen, die für einen gut verteilten Wohlstand sorgen. Nur dann können Sie auf Entwicklungen hoffen, die die Gesamtwohlfahrt steigern und so für einen größeren Kuchen sorgen, der verteilt werden kann.

dame enda 10. Dezember 2009 um 20:40  

Haut doch auf den anonymus nicht drauf. der weint doch nur, weil er angst hat, seinen trinkgeld-job zu verlieren. er kroch gerne ich ärsche und hat gerne verpacket.

Vogel 10. Dezember 2009 um 22:06  

Zu dem treuherzigen: "Wir haben doch nichts gewusst!" kann ich nur zitieren: Arbeit macht frei

Beste Grüße

Andreas 11. Dezember 2009 um 00:23  

"* Unversehrtheit der Person
* Privateigentum
* Vertragsfreiheit

alles unbeschränkt. Staat - wenn überhaupt - nur, um diese Rechte gegen gewaltsame Übergriffe zu schützen."

Dem ersten Punkt kann man ja noch vorbehaltlos zustimmen. Die Punkte zwei und drei dürfen als Dogmen des Marktradikalismus gelten und die haben uns den Dreck eingebrockt, mit dem wir jetzt zu kämpfen haben. Wirtschaftlich und gesellschaftlich. Der Staat muss auch Grenzen abstecken und die maßlose Gier in ihre Schranken weisen. Die Aufgabe des Staates sollte es auch sein, die sog. "Schwachen" vor den Auswüchsen des Sozialrassismus und Wirtschaftsfaschismus zu schützen. Denn genau das ist unweigerlich das Resultat, wenn ein Staat nur noch - "wenn überhaupt" - die Rechte der Besitzenden schützt. Leider hat der Staat, namentlich rot-grün und schwarz-rot, in den letzten Jahren diesbezüglich versagt und es ist nicht anzunehmen, dass sich die Situation in absehbarer Zeit bessern wird.

Anonym 11. Dezember 2009 um 10:24  

Dieser Firma sollte man mal ganz "friendly" in den Ar... treten!!!

Anonym 11. Dezember 2009 um 11:13  

Hier wird über den Unternehmer sowie über den Supermarkt hergezogen, die Verbraucher die den Dienst doch so toll fanden werden nicht erwähnt.
Die Geiz ist geil- Mentalität ermöglicht so etwas doch erst. Es beschwerd sich auch niemand an den Kassen mit den davor stehenden Einkaufswagen wo er selber im Akkord einpacken muß damit die Schlange hinter ihm nicht anwächst.Der Supermarkt spart sich eine Kassierkraft ein. Noch extremer wird es noch mit dem selber kassieren. Wir machen uns doch die Arbeitsplätze selber kaputt und die übrig bleiben erledigen wir dann noch für Trinkgelder.
Als Verbraucher haben wir doch die Macht und sollten die auch bewußt in Boykotten praktizieren. Das ist die einzige Sprache die verstanden wird.

Anonym 11. Dezember 2009 um 12:01  

Der Erfinder dieses Tests "Wie weit kann ich gehen bei Lohndrückerei und Ausbeutung" ist Herr Martin Lettenmeier.

http://www.netzeitung.de/wirtschaft/unternehmen/1522039.html

Zitat aus obigem Beitrag:
"«Innerhalb des gesetzlichen Rahmens ist das eine geniale Idee», sagte er dem Magazin zufolge. Lettenmeier gesteht demnach aber auch ein, dass es sich dabei um *ein brutal kapitalistisches System* handelt. Von ihm erhalten die Einpackhilfen lediglich ein Regelhandbuch. Bei der Schichteneinteilung achte er zudem darauf, dass keine Sozialabgaben und Steuern für die Trinkgeld-Empfänger anfallen."
Zitatende

Ich finde dazu keine Worte!!!

Herr Lettenmeier ist übrigens Theologe (sic!) und Unternehmer.

Sein Profil bei Xing

http://www.xing.com/profile/Martin_Lettenmeier

Dort auch der Link http://www.lets-com.de , der zu seinem "Friendly Service führt".

Ich verstehe ehrlich gesagt, weder die Gründe für Herrn Lettenmeiers Handeln noch verstehe ich, wie sich Menschen finden, die ihre eigene Ausbeutung auch noch toll finden können.

Absolut ratlos...

Klaus Kotz

Peinhard 11. Dezember 2009 um 12:46  

@Manul

"Ich denke mal, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir alle für eine freie Wirtschaft sind, wo Subventionen wirklich nur Hilfen und zeitlich begrenzt sind, um bestimmte Innovationen anzukurbeln. Ohne Extrawürste für irgendwelche Banker und ohne staatliche Zuschüsse für Firmen, die nicht in der Lage sind ihre Mitarbeiter anständig zu entlohnen. Aber das Ganze bitte auf einer demokratischen Basis, wo Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichberechtigte Partner sind, wenn es um Rechte und Pflichten geht und wo auch wirklich Angebot und Nachfrage den Markt beherrscht."

Auf der Basis dieser Wirtschaftsform aber leider vollkommen illusorisch. Und die Erhebung entsprechender Forderungen reine Zeitverschwendung, solange das nicht klar mitgedacht wird. Und dann wäre es aber auch schon anders zu formulieren als in eben den Kategorien eben dieser Wirtschaftform. Womit ich nicht 'nur' den Neoliberalismus, sondern den Kapitalismus bzw das 'warenproduzierende System' insgesamt meine.

Anonym 11. Dezember 2009 um 15:03  

Eigentlich war´s ja nur eine Frage der Zeit, bis das unter dem Namen "Praktikum" bekannte kostenlose Arbeiten von Studenten in Firmen auch die "niederen Sphären" des Wirtschaft erreichen würde.
"Brasilianische Verhältnisse" wurden mit dieser "Initiative" zwar noch nicht erreicht, aber wenn so was Schule machen sollte, dann bedeutet dies einen weiteren Schritt in diese Richtung.
Apropos Brasilien: Hilfskräfte, die zur Rush-Hour in den grossen Supermärkten die Waren einpacken, sind hier ein verbreitetes Bild. Allerdings mit dem Unterschied, dass diese Leute wenigstens über ein kleines, aber staatlich garantiertes Mindesteinkommen verfügen, welches in den vergangenen Jahren unter Lula sogar ein paar Mal erhöht wurde.
Wenn das selbst in einem Schwellenland mit nach wie vor feudalen Strukturen möglich ist, dann ist die in Deinem Post beschriebene "Aktion" des Einzelhandels (einer reichen Industrienation) der reine Zynismus.

Amelia 11. Dezember 2009 um 16:19  

Sogar in den USA verdienen Tüteneinpacker, soweit ich weiß, mehr als nur Trinkgelder. Umso erstaunlicher, dass Herr Lettenmeier den famosen USable-Preis dafür bekommen hat, dass er angeblich eine amerikanische Idee kopiert:

http://www.koerber-stiftung.de/gesellschaft/transatlantischer-ideenwettbewerb-usable/preistraeger/datenbank.html?tx_smsusable2_pi1[uid]=200&cHash=30b5abb842

Anonym 11. Dezember 2009 um 22:43  

1995 in den USA gewesen. Dort packen Schwarze dir die Einkaufstüten ein und bringen sie dir bis zum Auto...Sklaven! All das ist von den Amis bis zu uns rübergeschwappt...

Widerrede?

KLICK DEN OLLEN STINKSACK 12. Dezember 2009 um 00:17  

Ich finde die Entwicklungen in unserem Lande vollkommen OK.

Den kleingeistigen, selbstbezogenen und politisch uninteressierten Pöbel muß man von vorne bis hinten verarschen und ausnehmen.

Anonym 12. Dezember 2009 um 22:29  

Tja... würden alles dafür tun nicht zu verhungern..., wenn das nicht optimale Vorrausetzungen sind...

Zum Glück haben unsere Eliten die Zeichen der Zeit erkannt und die Sicherheitmaßnahmen an ihren Häusern erhöht. Wenn nun die Bundeswehr auch noch im innern Brunnen aufbaut, wird es irgendwann mal blutige Weihnachten geben.

Anonym 13. Dezember 2009 um 10:07  

Haben sich bei dir schon die bezahlten (?) "das ist doch alles Unfug was du schreibst" Kritiker gemeldet?
Jedesmal wenn ich irgendwo über diese Praktik (für Trinkgeld einpacken) lese, steht darunter in den Leserbriefen, dass die Darstellung falsch ist, weil man durch Trinkgeld locker 10€ pro Stunde verdient, das sei ja mehr als man sonst so bekommen würde etc. etc. Und es kommen rührselige Geschichten über arme Omas, die nur ein Päckchen Nudeln gekauft haben aber trotzdem einen Euro Trinkgeld geben ....

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