"Aber wenn die Menschen sich nicht ändern, dann wird das gierige Kapitalismusding weiter durchgezogen", um es mit seinen Worten zu sagen. In dieser Lesart ist die Finanzkrise kein systemgemachtes Debakel, es war nur die Verantwortungslosigkeit einiger Bankangestellter - Einzelfälle, wie man das heute so galant bezeichnet. Damit steht Langhans dem neoliberalen Zeitgeist, der das "gierige Kapitalismusding" verteidigt und rechtfertigt, näher als ihm wahrscheinlich lieb ist.

Das Kapitalismusding nicht antasten, die Menschen verändern: das sei demnach die Losung! Und fast scheint es so, als habe die ganze Politikerkaste, die sich heute bei den Grünen und der Sozialdemokratie tummelt, dieser Einsicht schon vor Jahren unterworfen. Man marschierte schnurstracks, wie ursprünglich angedacht, durch die Institutionen, legte nach und nach systemverändernde Pläne ad acta und ging daran, die Herren des Kapitals zu zügeln - was freilich fantastisch scheitern musste. Anfangs salbaderte man in Szenekneipen noch vom Systemwechsel, den man betreiben wolle; aber schlussendlich landeten die Kneipengänger dann in politischen Ämtern und feilten ein wenig am Menschen, der den Kapitalismus erträglich machen könne, wenn er nur besser, gewissenhafter, anständiger würde. Langhans predigte das ja schon vor Jahrzehnten und die Fischers, Trittins und Schröders dieser Republik sahen dies erst viel später ein; ihre politischen Söhne und Töchter, die Nahles' und Gabriels und Özdemirs kennen es wahrscheinlich gar nicht anders, sie erlernten schon zu Anfang ihrer Karriere, dass nur im System die Veränderung liege, wenn man nur den Mensch diesem dienlicher mache.

Das Gefasel von tragischen Einzelfällen, die das System torpedieren, entstammt diesem Denkmuster - "bedauerliche Einzelfälle" sind die terminologisch negativen Beispiele einer Denkart, die die materielle Grundbeschaffenheit einer Gesellschaft leugnet, um der ideellen Konzeption zum Primat zu verhelfen; einer Denkart, die Marx von den Füßen auf den Kopf stellt, so tut, als liege der Schlüssel zur gesellschaftlichen Veränderung im Individuum alleine; als sei dieses nicht auch Produkt der Zustände, die ihn umgeben, beeinflussen, in umrissene Richtungen lenken. Langhans hat einen Hang zur Esoterik und geriet vor Jahren arg in Bedrängnis, als er versucht war, das Dritte Reich esoterisch zu erfassen. Dass er Ego-Wandel als Masterplan zur gesellschaftlichen Neugestaltung ins Gespräch bringt, ist von daher nicht verwunderlich. Dass aber die herrschende politische Zunft mit ihrer Einzelfall-Rhetorik und ihrem konzilianten Kapitalzähmungsvorhaben damit aber auch in esoterischen Tümpeln watet, verwundert letztlich schon eher.

Von Dutschke, so hat man manchmal den Eindruck, ist wenig geblieben - ein wenig romantische Rückschau, ein bewundernder Blick in längst vergangene Tage, die Erleuchtung, dass gestreifte Strickpullover niemals anschaulich werden. Fast scheint es so, als habe Langhansens Ego-Wandelstheorem die Oberhand gewonnen, als habe 1968 nicht auf der Straße, sondern auf Matratzen in einer speckigen Kommune stattgefunden. Langhans lebt noch heute im Mief asketischer Wohngemeinschaft - die anderen haben sich in Anzüge gezwängt und die These, wonach nicht das System, sondern der Mensch zu reformieren, auf Arrangement mit den Zuständen zu trimmen sei, in den politischen Alltag getragen. Selbst konservative Kreise, die vor Jahrzehnten dem Kapitalismus noch skeptisch gegenüberstanden, haben sich dieser Maxime unterworfen - auch sie wollen heute Menschen reformieren und das System belassen, was vormals durchaus nicht verbindliche Anschauung war unter Konservativen. 1968 ist fest verwurzelt im heutigen Deutschland, in der heutigen Denkweise. Langhans ist ein Kuriosum, sein egozentrisches Theorem ist es nicht: es ist unsere heutige, leicht esoterisch angestrichene Politik!