De dicto

Montag, 17. September 2012

"Gabriel und von der Leyen sprechen aber nie von denen, die es aus eigenem Verschulden auf keinen grünen Zweig bringen. Die „keinen Bock“ hatten, ihre Ausbildung abzuschließen. Die schon am Montagmorgen die Stunden bis Freitagmittag zählen. Die sich weder weiterbilden noch anstrengen wollen. Die sich lieber zwei Handys leisten als einen Riester-Vertrag.
Das Muster der Altersarmuts-Debatte lautet: Schuld sind immer die anderen. Raffgierige Unternehmer, neoliberale Rentenpolitiker, wahlweise CDU oder SPD: Sie alle sind angeblich an den Mini-Renten schuld. Nur von den Mitmenschen, die es sich leisten, nichts zu leisten, ist keiner verantwortlich.
850 Euro Mindestrente nach schwarz-rotem Modell belohnt die Falschen. Und bestraft durch höhere Abgaben oder Steuern die, die sich ihre Rente in dieser Höhe mühsam erarbeiten. Da gilt: Der Fleißige ist der Dumme. Und das muss doch mal gesagt werden!"
- Hugo Müller-Vogg, BILD-Zeitung vom 13. September 2012 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Natürlich, wie sollte es ein rechtsgerichteter Feuilletonist auch anders sehen wollen oder können! Man kann Gabriel und von der Leyen allerlei vorwerfen - dass sie aber nicht diejenigen abkanzlern, die selbst schuld sind, dass sie kaum Rente kriegen werden, ist so hanebüchen und idiotisch, dass es zum Schreien ist. Und im Falle von der Leyens stimmt es nicht mal, sie sagte es ja zwischen den Zeilen und auch als Zeile. Was Müller-Vogg da fordert ist nicht eine Debatte über eine Rente, von der man leben können soll - er will, dass Gabriel und von der Leyen davon ablenken. Sie sollen die Verantwortung jenen übertragen, die Opfer einer Anti-Staatsrenten-Politik wurden und sollen auf billigster Grundlage stigmatisieren.

Es sind ewig sich wiederholende konservative Affekte, die dieser Kolumnist erleidet. Man benennt Sündenböcke, wirft einen populistischen Satz wie Der Fleißige ist der Dumme! in die Runde und tut so, als sei der Fleißige der Dumme, weil es die Faulen sind, die ihn dumm dastehen lassen - dass es eine zielgerichtete Politik für die Versicherungswirtschaft war, soll diesem vermeintlichen Dummkopf so unbekannt bleiben. Und wenn man weiß, dass man Unsinn verbreitet, so hat es sich seit Sarrazin eingebürgert und bewährt, sein Statement mit Das wird man doch mal sagen dürfen! oder mit Das muss doch mal gesagt werden! zu beschließen. Wohl das profundeste Argument der aufhetzenden Worthülse ohne Inhalt. Wie ein trotziges Kind, dass noch einen draufsetzt, obgleich es weiß, dass es Mist gebaut hat.

Leute ohne Riester-Vertrag tragen Schuld, dass ihnen das Geld im Alter nicht reicht, meint er. Ob Müller-Vogg viel über die Konditionen der Riesterei weiß? Über die halbseidene Einriesterung der Versicherungswirtschaft in öffentliche Belange zu Zeiten der schröderianischen Reformära? Natürlich weiß er es. Naiv zu glauben, er wüsste es nicht. Und er weiß auch, dass es viele Menschen mit so niedrigen Einkommen gibt, dass sie sich die monatlichen Beiträge für eine Privatrente nicht leisten können. Man hört ihn in seinem Kämmerlein zetern: Aber für Alkohol und Zigaretten ist Geld da! Und sein Blatt macht dieser Tage ja auch wieder Stimmung. Generalangriff auf die, die man für Schmarotzer hält. Schuldig sind die Leute, die mal kleine Renten erhalten, weil sie nicht genug Geld haben. Standesdünkel würde man das normalerweise nennen - seine Zeitung nennt es meinungsstark. Dass das Geld selten reicht, um auch noch eine Privatrente zu finanzieren, davon schreibt er nichts, denn dann fiele seine Philippika auf den Schmarotzer durch, dann verlöre sie ihren konservativen Erbauungswert. Da kann man noch so fleißig sein, wenn das Geld nicht reicht, dann riestert man nicht - alles andere ist dummes Geschwätz. Und daher kann es nicht heißen, dass der Fleißige der Dumme ist, sondern dass der Dumme recht fleißig Kolumnen schreibt - das muss doch mal gesagt werden!



15 Kommentare:

Anonym 17. September 2012 um 08:17  

Siehe dazu auch den ergänzenden Kommentar bei flatter unter Nr. 22:
"Deutsche wehrt Euch!" in Bild.

Anonym 17. September 2012 um 08:19  

...solchen asozialen Typen wie Müller-Vogg kann man eigentlich nur mit der Dachlatte antworten.....

Anonym 17. September 2012 um 08:51  

Leute wie Müller-Vogg tangieren mich nicht einmal peripher. Einfach gar nicht ignorieren. (Scherz aus.)

In seiner vorurteilsgeschwängerten Aufzählung von Dingen, für die die "faulen Säcke" ihr Geld ausgeben, fehlten noch der Flachbildschirmfernseher, der Pitbull und BILD. Auf der anderen Seite der Fleißigen wird auch gerne noch der Zusatz gemacht; ".....die morgens früh aufstehen...". Ausschlafen ist auch so eine Todsünde, die ebenfalls von den Faulen begangen wird.

Anonym 17. September 2012 um 08:59  

Die Bild Zeitung ist ein Hetzblatt, sie ist faschistisch eingestellt. Das nach der Judenhetze wieder eine Hetze möglich ist habe ich nicht für möglich gehalten. Die Mehrheit der Deutschen ist so was von dumm!

Anonym 17. September 2012 um 09:04  

Dazu passt auch:
http://aufzeichnungen-eines-gutmenschen.blogspot.de/2012/09/unfassbar.html

Anonym 17. September 2012 um 10:31  

Zuletzt ließ der Regionalmanager noch seine Meinung über Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen wissen. Ihr sei es (Verzeihung, wörtlich) „scheißegal“, ob Altersarmut immer weiter zunehme. Ihr Hauptinteresse sei es, sich als soziales Gewissen ihrer Partei zu produzieren. Sie würde aber bei der Notwendigkeit einer zusätzlichen privaten Altersvorsorge nicht wackeln – im Gegenteil. Und dafür müssten wir alle froh und dankbar sein.

http://www.nachdenkseiten.de/?p=14457

Anonym 17. September 2012 um 10:39  

Die Vorsorgelüge: Wie Politik und private Rentenversicherung uns in die Altersarmut treiben


http://www.amazon.de/Die-Vorsorgelüge-Politik-Rentenversicherung-Altersarmut/dp/343020142X/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1347871076&sr=1-1

baum 17. September 2012 um 11:53  

dieser müllfock ist ein idiot. ich suche mal die stelle aus der weltliteratur, der zufolge der erzähler schon am montag morgen sich auf den sonntag freute.

baum 17. September 2012 um 11:58  

Die Wiederholung des Immergleichen wirkt entleerend, verbindet sich mit dem Gefühl von Ödnis und Langeweile. Karl Philipp Moritz hat eine solche Erfahrung beschrieben. Er, das heißt, Anton Reiser, durchläuft eine Lehre bei einem Hutmacher namens Lobenstein in Braunschweig:

ZITATOR: “(S)o verfloß damals Antons Leben: des Morgens von sechs Uhr an rechnete er bei seiner Arbeit aufs Frühstück, das er immer schon in der Vorstellung schmeckte, und wenn er es erhielt, mit dem gesundesten Appetit verzehrte, den ein Mensch nur haben kann.
Dann ging es wieder frisch an die Arbeit, und die Hoffnung aufs Mittagessen brachte wiederum neues Interesse in die Morgenstunden, wenn die Einförmigkeit der Arbeit zu ermüdend wurde.
Des Abends wurde jahraus, jahrein eine kalte Schale von starkem Biere gegeben. Reiz genug, um die Nachmittagsarbeiten zu versüßen.
Und dann, vom Abendessen an bis zum Schlafengehen, war es der Gedanke an die bald bevorstehende, sehnlich gewünschte Ruhe, der nun über das Unangenehme und Mühsame der Arbeit wieder einen tröstlichen Schimmer verbreitete.
Freilich wußte man, daß den folgenden Tag der Kreislauf des Lebens so von vorn wieder anfing. Aber auch diese zuletzt ermüdende Einförmigkeit im Leben wurde durch die Hoffnung auf den Sonntag wieder auf eine angenehme Art unterbrochen.
Wenn der Reiz des Frühstücks und des Mittags- und Abendessens nicht mehr hinlänglich war, die Lebens- und Arbeitslust zu erhalten, dann zählte man, wie lange es noch bis auf den Sonntag war, wo man einen ganzen Tag von der Arbeit feiern und einmal aus der dunklen Werkstatt vors Tor hinaus in das freie Feld gehen und des Anblicks der freien offenen Natur genießen konnte.
Oh, welche Reize hat der Sonntag für den Handwerksmann, die den höheren Klassen von Menschen unbekannt ist, welche von ihren Geschäften ausruhen können, wenn sie wollen.”

baum 17. September 2012 um 12:29  

Du nennst müller-fogg einen rechtsgerichteten feuilletonisten, der konservative affekte habe.

demzufolge bedeutet rechts und konservativ entweder die verleugnung der realität, die ausblendung von fakten oder - wenn man bewußtheit unterstellt - die lüge. die propaganda-lüge. die hetze. die verteufelung.

Anonym 17. September 2012 um 13:39  

Der Riester Dreck ist nur eine Sozialhilfe+, mehr nicht!

Wenn man noch einen Lebenspartner hat, der eine gute Rente bekommt, wird die angerechnet und man bekommt nichts.

Anonym 17. September 2012 um 15:56  

„Ob Müller-Vogg viel über die Konditionen der Riesterei weiß? (…) Natürlich weiß er es. Naiv zu glauben, er wüsste es nicht. (…) Und daher kann es nicht heißen, dass der Fleißige der Dumme ist, sondern dass der Dumme recht fleißig Kolumnen schreibt - das muss doch mal gesagt werden!“

Es ist eine bekannte Tatsache, dass Rollenwechsel zwischen PR und Journalismus heutzutage eher die Regel denn die Ausnahme sind: Als journalistisch-ethischer Mindeststandard zwecks Vermeidung von Interessenkonflikten gilt in der Lehre angeblich heutzutage nur noch das Minimum, dass mensch zumindest nicht gleichzeitig in demselben Themenbereich PR-Aufträge und journalistische Beiträge beackern sollte.

Wer je beruflich mit PR-Fachleuten zu tun hatte, wird bestätigen können, dass diese Menschen (spätestens über 30) ausnahmslos menschenverachtende Zyniker sind – und dass mensch diese Typen mit der Zeit anhand von Körperhaltung, Gestus, Kleidung auf der Strasse erkennt - genau so, wie geübte Schwarzblock-DemonstrantInnen Zivilbullen intuitiv erkennen.

Ich meine, die Job-Hopperei zwischen PR und Journalismus macht diese Menschen erst mit der Zeit zu tatsächlich „Dummen“, nämlich in dem Augenblick, wo ihnen der berufsbedingte Zynismus nicht mehr temporäre Berufsrolle ist, sondern als „déformation professionnelle“ zum Bestandteil ihrer Persönlichkeit geworden ist.

Anonym 17. September 2012 um 16:33  

In einer aufgeklärten, vernunftbegabten Welt würde man schlicht die Quote derer ermitteln, die systemunabhängig "nicht arbeiten wollen" und diese Zahl lapidar als eine von mehreren Problemfaktoren begreifen - und damit alle Ideologen von links und rechts abprallen lassen.

Duderich 17. September 2012 um 16:57  

Riestern lohnt sich eh erst ab 2000€/Monat nach Berechnungen von Peter Bofinger. Für die Adressaten dieser Hetz-Schrift ist es ein Minus-Geschäft. Aber auch egal - Hauptsache die Versicherungsindustrie profitiert davon...

Übrigens, wer sparen will, sollte erstmal sein Bild-Abo kündigen.

Anonym 17. September 2012 um 17:06  

Warum und wie der Sozialstaat ins Gerede kam

Die Mehrheit unseres Volkes war lange Zeit, mindestens bis zum Jahr 2000, von der Notwendigkeit und Richtigkeit solidarischer Sicherungen überzeugt. Dieses Vertrauen wurde dann immer mehr beschädigt. Ohne Sinn und Verstand. Und nur zur Wahrung privater Interessen. Die Agenda 2010 ist Teil dieses Zerstörungswerks.

http://www.nachdenkseiten.de/?p=14462

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