Politik, die zum Leben nicht reicht

Montag, 30. April 2012

Die Regelsätze sind zu niedrig. Jetzt darf man es offiziell sagen, weil es ein Gericht offiziell gesagt hat. Dass die Regelsätze nach ihrer Neuberechnung nur popelige fünf Euro höher lagen als zuvor, scheint der Öffentlichkeit damals relativ entgangen zu sein. Die zu niedrigen Sätze waren damals schon skandalös, weil man es ja gewusst, mindestens aber geahnt und mitgefühlt hat - und sie sind heute skandalös - und weil man in diesem Land auf Kontinuitäten setzt, wird es auch hernach, sollte man mal wieder neu berechnen, skandalös bleiben.

Skandal hinter dem Skandal

Der wirkliche Skandal sind weniger die Regelsätze, die den Menschen die soziale und kulturelle Teilhabe verweigern. Es ist die Arroganz der Macht, die sich über die Gerichtsbarkeit hinwegsetzt, ohne Skrupel zu zeigen. Das tut sie nicht offensiv, nicht aggressiv - sie macht es transparent, mit dienstbeflissener Miene, etwaigen Gerichtsentscheidungen - wie damals, als das Bundesverfassungsgericht die Neuberechnung forderte - auch gerecht zu werden. Den Entscheidungen gerecht zu werden wohlgemerkt, nicht denen, die auf dieserlei Entscheidungen hoffen. So rechnet man eben hinaus und hinein, zieht ab und addiert, gibt in den fiktiven Warenkorb zur Berechnung oder nimmt heraus, setzt hier was an, läßt da was weg und schlägt von der dann entstandenen Summe pauschal zwanzig Prozent ab. Auftrag erledigt, Gerichtsentschluss umgesetzt - Regelsatzhöhe bewahrt.

Dieses Verhalten, das von der Öffentlichkeit nicht mal verurteilt wird, sondern mitläuferisch unterstützt, ist es, was den wirklichen Skandal auftischt. Ärgernis ist nicht unbedingt die Regelsatztiefe, die sich nicht am Alltag orientiert - das zwar auch, aber viel mehr Ärgernis ist, dass es mit dem Verfassungsbezug der regierenden Politik nicht weit her ist. Dass man oberste Instanzen wie das Bundesverfassungsgericht austrickst und damit denen, die von diesen Regelsätzen abhängig sind, eine lange Nase dreht und sie de facto von rechtsstaatlichen Beschwerde- und Klagewegen abschneidet. Dann gibt es zwar Kläger und Richter wie es in einem Rechtsstaat sein sollte - aber auch eine Legislative, die derart verschlagen und korrupt ist, dass sie sich den Teufel darum schert. Und es ist ein Skandal, dass die Medien bei diesem frechen Spiel mitmachen. Dass die Neuberechnung, die nur zur Festigung des alten Regelsatzes galt, ohne jegliche Kritik vollzogen werden konnte. Von der Öffentlichkeit, die vernünftlend die hohen Kosten angab, um die Verweigerung der Teilhabe zu rechtfertigen, muß man gar nicht erst sprechen.

Erst die Politik, dann die Regelsätze

Vielleicht wagt man sich erneut heran, die Regelsatzhöhe gerichtlich zu beanstanden. Dann heißt es Neuberechnung - nochmal ein Warenkorb. Den stellt man neu auf. Wenn man merkt, dass die Berechnung aus dem Ruder läuft, dann werden erneut Faktoren herausgerechnet. Kondome aus dem Hygiene- und Gesundheitssegment beispielsweise - die lächerlichen sieben Euro Beherbergungs- und Gaststättenleistungen könnte man ganz streichen - oder die alkoholfreien Getränke aus dem Posten Nahrungsmittel, denn schließlich besitzt heute jeder einen Wasserhahn und die Nebenkosten, die das Amt auch bezahlt, beinhalten ja Warm- und Kaltwasser. Vielleicht gibt das faktisch einen neuen, leicht erhöhten Regelsatz; drei oder vier Euro mehr, damit es nach was aussieht.

Man verschleppt den menschenwürdigen Regelsatz - immer mal einige Euro anpassen, nie aber den großen Wurf tätigen. Vielleicht gelingt es ja, die Habenichtse so noch über Jahre hinweg auszuhungern.

Eigentlich hätten Gerichte zuerst über die Praxis der Politik, die an den Wirtschaftsverbänden und den neoliberalen Think Tanks hängt, zu befinden. Einer Politik, die ihr Primat abgegeben hat, die von Ideologen geleitet wird und nicht dem Allgemeinwohl verpflichtet zu sein scheint, kann man keinen (Neu-)Gestaltungsauftrag erteilen. Erst hätte man mal gerichtlich festzustellen, dass der Aufrichtigkeitsgehalt der Politik zu niedrig angesetzt ist, bevor man erklärt, dass es die Regelsätze auch sind - zuerst sollte man verlesen, dass die Politik ihre wirtschaftliche Teilhabe der Wirtschaft verdankt, bevor man kundtut, dass es solche für die Leistungsempfänger nach SGB II nicht gibt - erst müsste man mal erklären, dass diese Politik zum Leben nicht reicht, bevor man nachschiebt, dass es die Regelsätze auch nicht tun...



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Salafisten!

Freitag, 27. April 2012

Oh, diese Salafisten! Hardliner! Rückständige Extremisten! Salafisten: kommt von Salaf - den Vorfahren. An diese Altvorderen orientieren sie sich. Reaktionär sind sie somit. Restaurativ. Feudal. Rückschrittlich. Sie zirkeln die moderne Welt an den Zuständen ab, die ihre Vorfahren als ihre Gegenwart wahrnahmen. Gestrige Gestalten. Rückwärts immer... Das Gestern ist ihr Heute - und das Heute soll möglichst von gestern sein. Salafisten halt - an Vorfahren ausgerichtete Nachfahren.

Die Öffentlichkeit kennt Salafisten erst neuerdings. Der Begriff war ihr relativ unbekannt. Jetzt spricht jeder von ihnen. Dabei hat man sie immer gekannt. Man nannte sie nur anders.

Salafismus: die an den Vorfahren bemessene Gegenwart. Wie damals, wie bei ihren Ahnen wollen sie die Welt strukturieren. Es darf kein Vorwärts im Rückwärts geben. Kein Fortschritt im Rückschritt - das heißt, Fortschritt schon. Aber nicht allenthalben. Fortschritt in den Profiten darf es geben. Fortschritt in Effektivität. Fortschritt in der Beschleunigung des Alltages. Aber niemals dort, wo gearbeitet und wo privat gelebt wird. Dort soll es zurück gehen. Zu den Vorfahren aus Manchester.

Zurück zu längeren Arbeitszeiten, zu fehlendem Kündigungsschutz und ganz generell ins betriebsinterne Feudalwesen. Zurück in Zeiten, da der Sozialstaat noch eine Utopie, der Rechtsstaat eine Einrichtung für den Reichtum war. Restaurierung der Zustände. Damit sie so aussehen wie bei den Vorfahren. Zurück in die Belle Epoque, die belle nur war, wenn man sich Brot leisten konnte und man nicht zu müde Knochen nach einem langen Tag unter Kuratel eines Ausbeuters aufwies. Armut muß Armut bleiben - Ausgrenzung Ausgrenzung - fehlende Teilhabe fehlende Teilhabe. Am eigenen Schopf kommt man da raus - oder gar nicht. Was sie nicht umbringt...: Weisheiten süffiger Ortsvereinsrunden. Mitsprache unterbinden, Demokratie behindert den Wohlstand! Stimmen wie von zigarrenpaffenden Pfeffersäcken, von aufgeblasenen Profiteuren aus Manchester und kapitalistischem Umland. Wie damals im jungen Kapitalismus, wie zu Zeiten, da die Gleichheit kein prinzipielles Ideal, sondern ein beklemmender Graus war.

Die Salafisten arbeiten emsig. Sie verteilen keine heiligen Bücher, sie buchen die Öffentlichkeit für ihren Extremismus. Salafisten kennt jeder. Auch wenn er nicht in der Fußgängerzone deren Bücher entgegennahm. Salafisten kennt man, auch wenn man das Wort nicht kennt. Fanatische Gestrige - Ahnenkult betreibende Restauratoren - durch Altes inspirierte Erneuerer - erneuerte Veraltete. Jeder fischt auf seine Weise in den trüben alten Tagen menschlicher Geschichte. Die einen in der feudalen Wüste - die anderen im wüsten Feudalismus. Die einen machen es für einen Gott - die anderen für den ihren. Beide aber sind sich dessen sicher: Wenn alles wird, wie es mal war, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Die Beine des Menschen erlauben es nicht, rückwärts so große Schritte zu machen, wie sie es vorwärts vermögen - keine gute Metapher für den Geist von allerlei Salafisten, der rückwärts größeren Schrittes schreitet, als er es nach vorne kann.



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Neidisch auf die DDR

Donnerstag, 26. April 2012

Die DDR macht dieses Land, ehemals "der Westen" genannt, jetzt ein Land, das den Osten gefressen hat, zu einem besseren Ort. Sie macht, dass dieses Land jetzt, aber auch früher, ein Platz ist oder war, an dem sich das Gute tummelt oder tummelte. Die DDR wurde nie geschätzt - bis jetzt, da sie als Korrektiv fungieren darf. Als Schattenreich, das die Schatten innerhalb dieses Westens, der lange alleine stand und der seit zwanzig Jahren auf den Osten gekommen ist, beseitigt, es in den Sonnenschein rückt.

Nicht dass man immer explizit Mauertote präsentiert, um von denjenigen, die hierzulande vor jener Mauer stehen gelassen werden, hinter der die soziale Teilhabe wartet, abzulenken. So dick muß man gar nicht auftragen! Es reicht schon, mit der DDR zu diskreditieren - es langt, wenn man Stasi-Verdächtigungen ins Land ruft. Wenn man Verdientes mit der DDR überbrüht. Dann wird aus dem, das kein Ruhmesblatt für dieses Land ist, aus dem was anrüchig ist, eine klassenfeindliche Inszenierung, eine ideologisch verbrämte Erfindung. Am Ende ist Wallraffs "Ganz unten" gar keine verdiente Dokumentation aus dem bundesrepublikanischen (Arbeits-)Alltag jener und bedingt auch unserer aktuellen Jahre, sondern ein erfundenes Szenario, eine Karl-Eduard-Wirklichkeit.

Wenn die Stasi mitgeschrieben hat, wer kann dann noch ausschließen, dass der Türke Ali, den Wallraff spielte, auch wirklich so ehrabschneidend behandelt wurde? Vielleicht ist die Perversität, die Wallraff erlebte und niederschrieb, einfach nur den hetzerischen Gehirnen der Staatssicherheit, des Klassenfeindes aus der Zone entsprungen und diesem irgendwie kommunistischen Journalisten eingeflüstert worden. Vielleicht war die Bundesrepublik nie so widerlich rassistisch, so Adolf nachweinend, wie Wallraff das damals schrieb. Der ganze Hype um sein Buch seinerzeit: Nichts als von der Stasi in die Welt gesetzte Lügen über die kapitalistische Lebenswirklichkeit? Und wenn es damals schon nicht so schlimm zuging, wie es "Ganz unten", dieser Schwarze Kanal auf Papier, weismachen will, dann wird es heute vermutlich auch nicht so sein. Die BRD ist halt doch nicht so schlimm, wie es manche Nestbeschmutzer in ihrer ideologischen Verblendung zuweilen niederschreiben...

Ja, die DDR, sie müsste erfunden werden, falls es sie nicht gäbe. Man fragt ja oft, warum sich in Deutschland die Menschen so viel gefallen lassen. Die Antworten sind meist unbefriedigend. Geschichtlich bedingt muß das nicht gänzlich sein - und eine Mentalitätsfrage wohl auch nicht. In den letzten Jahren war es vielleicht die DDR, die die BRD immer dann beruhigte, wenn die kapitalistische Wirklichkeit brutal zuschlug. Der Verweis auf ein Deutschland, das so viel gemeiner und hinterlistiger war, als es das amtierende Deutschland ist: das befriedet. Um was Deutschland von den Regierungen in der Welt beneidet wird ist die DDR - Frankreich zum Beispiel hätte auch gerne eine, wenn mal wieder Bürger die Straßen füllen und ihre Wut formulieren. Eine französische DDR freilich - eine, auf die man deuten könnte, die einen klarmachte, dass man froh sein könne, im jetzigen, in diesem Frankreich zu leben - eine, die eine noch beschissenere Alternative zu Sarkozy oder zu Le Pen wäre - eine eben, die wie in Deutschland, die herrschenden fatalen Zustände als "immer noch besser als damals in der DDR" markiert.



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Sit venia verbo

Mittwoch, 25. April 2012

"Insofern könnte Lateinamerika durchaus die Weltzivilisation des 21. Jahrhunderts bereichern; auch mit jener Kreolisierung, der kulturellen Durchmischung, die ja nicht mehr nur für Lateinamerika bezeichnend ist, sondern für die Weltgesellschaft überhaupt. Der Treibsatz der Kreolisierung steckt in den ethnisch-religiösen Konflikten Indiens, Chinas, Afrikas und der islamischen Welt. Das heißt: Während der Westen sich bei seinem Blick auf den Globus noch von einem anachronistischen kontinentalen Denken leiten lässt, verwandelt sich die Weltgesellschaft immer stärker in Archipele, in ein Multiversum, in dem die Kulturen ihre Identität nicht mehr aus einer Wurzel beziehen, sondern aus einem Wurzelgeflecht."

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Nach dem Neoliberalismus

Dienstag, 24. April 2012

Die Welt nimmt sich an Deutschland ein Beispiel, liest man nun oft. Neidisch sei sie auf dieses Land im Herzen Europas, an dem die Krise unverrichteter Dinge vorbeizog. Vielleicht werden wir uns schon bald, nach Jahrzehnten neoliberaler Unterjochung, ein Beispiel an einer Weltgegend nehmen müssen, die man derzeit kaum auf dem Notizzettel hat. An einer Region, die das Experimentierfeld neoliberaler Ideologen war und sich endgültig dieser Knechtung entledigt hat.

Lula, Kirchner, Morales, Chávez

Südamerika war das Opfer des Washington Consensus, einem Reformpaket wirtschaftsliberaler Radikalität, wie es jahrzehntelang von Weltbank und Währungsfond propagiert und gefördert wurde - wenn nötig mit geheimdienstlichem Feuerschutz oder politischem Druck höriger Regierungen. Die Spielwiese der USA nannte man Südamerika damals und manches Regime, man denke nur an das des Pinochet als berühmtestes Beispiel, wurde unterstützt oder gar in den Sattel gehoben. Die Ausbeutung der Ressourcen der südamerikanischen Länder, die Begrenzung der kontinentalen Wirtschaft auf Extraktivismus, das Unterwandern linker und liberaler Konzepte und die indirekte Lenkung der Staatsinteressen durch Konzerne, haben Lateinamerika zu einem traurigen, zu einem ausgemergelten Kontinent verkommen lassen.

Aber die Geschichte lehrt uns, dass Unterdrückung abgelegt werden kann. Und so war die Neoliberalisierung des Kontinents gleichsam der Aufstieg einer neuen selbstbewussten, autarken Politik, die sich als linke Politik bezeichnen lassen kann - in jedem Land auf seine Weise, hier mehr sozialdemokratisch, wie Brasilien unter Lula, dort linksliberal wie Argentinien unter Kirchner. Zudem lösten sich die auch von den ansässigen Eliten unterjochte Schicht der Mestizen und Indigenen von ihrer Rolle als ausgebeutete Unterschicht - ein neues "bolivarisches Selbstverständnis" trat auf. Ein Kniff nur, denn Simón Bolivar war weder der Förderer der Eingeborenen, noch in irgendeiner Weise links oder liberal. Unter Morales kommt das neue Selbstbewusstsein der Indigenen zur Entfaltung - und Chávez rührt mit ordentlichem Machismo, dem Naturell südamerikanischer Protzerei, die Trommel gegen die Gringos und stärkt damit die Selbstachtung der Venezolaner. Intellektuelle geben unumwunden zu, dass in manchen Staaten noch immer der Caudillismo herrsche, gerade Chávez praktiziere das mit Hingabe - aber es sei ein linker Caudillismo, der rhetorisch oft brachial wirkt, in der Realität aber wesentlich weniger rückständige Ausformungen nimmt.

Aus der Einsamkeit

Gabriel García Márquez beschrieb in seinem Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" einen fiktiven südamerikanischen Ort, der als Parabel für die Geschichte des Kontinents stehen sollte. Diese war geprägt vom Erbe des Kolonialismus und des Feudalismus, die Unabhängigkeit Lateinamerikas bestand darin, die Spanier und Portugiesen vertrieben zu haben, um den ansässigen, sich nun herausbildenden Eliten dieselben Befugnisse zu erteilen, wie den alten Machthabern. Die neoliberale Wirtschaftspolitik traf auf einen Kontinent, der leicht zu erobern war, weil die Ausbeutung, die Armut und die fehlende soziale Sicherheit - von der Solidarität innerhalb indigener Stämme, die es noch gegeben haben mag, mal abgesehen -, boten die besten klimatischen Bedingungen für eine Wirtschaftslehre, die im Menschen nur Produktivkraft oder Kunde, nur Kostenfaktor oder Renditenbringer sieht. Wahrscheinlich war der Neoliberalismus das Moment, das Südamerika endgültig aufwachen ließ - das Unrecht der Kolonialherren, das Unrecht der Eliten vor Ort: man erwartete nie mehr von ihnen. Und dann kamen Kolonialherren mit Verträgen, Leute die Gerechtigkeit und Wohlstand versprachen, die sich aber letztlich nicht besser aufführten, wie die Eliten, die man einst hatte. Letztere sprachen nie mit Engelszungen - aber diese Lehre, die fromm predigt und sich teuflisch bedient, die hat den Gerechtigkeitssinn Lateinamerikas angefacht; was die islamische Welt dem Westen vorwirft, die Doppelmoral, die Differenz zwischen verkündeten Anspruch und tatsächlicher Wirklichkeit, das hat Südamerika schon seit geraumer Zeit als Anreiz genommen, sich zu emanzipieren.

Metalle im Boden zu haben, über Rohstoffe zu laufen, so lautet ein Credo dort, bedeute nie Reichtum, sondern Verarmung. In knapperen Worten kann man die Freihandelspraxis der herrschenden Wirtschaftslehre kaum umschreiben - diese Diskrepanz schafft die Unglaubwürdigkeit, mit der der Westen über den Globus hetzt.

Umdenken zu einer Wirtschaft für die Menschen

Genau das ist der Ansatzpunkt, den so gut wie alle südamerikanischen Nationen mittlerweile vertreten. Morales und Chávez besonders aggressiv und selbstbewusst, indem sie die Erträge des Rohstoffverkaufs verstaatlicht haben. Das hat beispielsweise auch Brasilien unter Lula getan - dort aber wesentlich konzilianter. Natürlich ist zu betonen, dass die neue linke Politik Südamerikas, die die Marktwirtschaft nicht verdammt, sondern sie nach sozialen Gesichtspunkten ausstattet, um einen gewissen Wohlstand für alle zugänglich zu machen, keine Wohlfahrtsstaaten hat entstehen lassen. Aber es sind Anfänge. Sozialprogramme sichern Teilhabe und lösen die Diskrepanz zwischen üppigen Ressourcen, die zur Armut führen, langsam aber sicher auf. Wesentlich ist insofern eigentlich, dass es dieser Kontinent nach Jahren der Vereinsamung durch westliche Ausbeutung und zuletzt neoliberale Beeinflussung, doch geschafft hat, ein kollektives Umdenken zu erzeugen. Ein Umdenken, das den Menschen ins Zentrum stellt, nicht die Renditen großer Konzerne - oder realpolitischer formuliert: Ein Umdenken, das meint, Renditen großer Konzerne gehören nur zu kleinen Teilen den Konzernen selbst - sie haben den Menschen zu dienen. Das kann in geraumer Zeit, wenn sich der Neoliberalismus ausgetobt hat, auch für Europa ein Beispiel sein.

Die westlichen Medien berichten nicht immer sehr umsichtig. Morales gilt als Hardliner, was er bedingt ist. Der südamerikanische Machsimo wird manchmal zu ernst genommen - ein Mentalitätsmissverständnis. Gerade Chávez betreibt das exzessiv. Aber beide, auch wenn manches in ihren Staaten autoritär wirkt, sind Reaktionen auf Zustände, die sie beseitigten. Fortentwicklungen und Verbesserungen. Es gehört auch zur Arroganz des Westens, "lupenreine Demokraten" westlicher Prägung einzufordern, obgleich die Strukturen für solche nicht gegeben waren - nicht gegeben waren, weil es die Wirtschaftslehre der westlichen Welt war, der neoliberale Kolonialismus, der jegliche Strukturierung in diese Richtung unterdrückte und wegputschte.



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Das verkannte Untalent

Montag, 23. April 2012

Grundsätzlich war die Idee, am Vorabend Personen des öffentlichen Lebens einzuladen, um mit ihnen zu quatschen, gar nicht schlecht. Der Vorabend, diese intellektuell so unerfüllte Zeit, sie könnte ein solches Sendekonzept durchaus gebrauchen. Gottschalk versuchte sich daran und scheiterte. Das ist aber trotzdem kaum zu bedauern.

Seicht, einstudiert, monologisierend

Man hat Gottschalk im Vorfeld attestiert, ein solches Talk-Konzept tragen zu können. Dabei hat man eines verkannt: Gottschalk kann keinen Dialog - schon gar keinen, der tiefgründig wäre. Für Wetten dass..? hat seine Gesprächsqualität schon kaum ausgereicht. Eingestreute Showacts und Wetten haben ihn hierbei aber gerettet.

Gottschalk ist kein Talker - er führt Monologe, die er mit Kniegetätschel und konziliantem Zurschaustellen seiner angeblichen Weltläufigkeit, unterstreicht. Dabei kommt nichts heraus. Die als Talk verkauften Monologe, die wahlweise Gast oder Gottschalk führen, das aneinander Vorbeireden, es erzielt keinen Gewinn für den Zuschauer. Gottschalk scheint dabei überfordert, seinen Gast in einen Dialog zu verstricken. Aufeinander einzugehen ist seine Stärke nicht - keine gute Grundlage für einen vermeintlichen Talker. Tiefgründig ist Gottschalk nur in der Pflege seiner Oberflächlichkeit, die sich am stärksten dann zeigt, wenn er begierig auf weibliche Kurven und Beine zu sprechen kommen darf.

Gottschalk erstickt jede Spannung in seinen seichten Gewässern. Er quatscht genauso inhaltslos mit Mario Barth wie mit Hans Küng über den Papst. Erkenntnisgewinn für seine Zuschauer ist nicht sein Metier. Was die Paradedisziplin seines Entertainments ist, kann man so beantworten: seichter Plausch. Erschwerend kommt hinzu, dass es jeden doch mal spannenden Gesprächsfetzen seitens seiner Gäste mit Floskeln abschließt, die man als Zuschauer seit Jahren von ihm kennt. Gottschalk ist einstudiert, hat wenig helle Momente - seine oberflächliche Abarbeitung an Gästen ist zahm und ausdruckslos. Man geht gerne zu ihm, weil kritische Fragen von ihm garantiert nicht gestellt werden.

Legendenbildung

Das Talent Gottschalks ist ein Märchen. Er ist ein verkanntes Untalent. Jemand, den man Qualitäten attestiert, die er nie hatte. Seine Sendung scheiterte an den mangelnden Zuschauerzahlen. Es kann natürlich so sein, dass das Konzept kein Massenpublikum rekrutierte. Gleichwohl kann das aber Folge des qualitativen Mangels des Gastgebers sein. Gottschalk Live hätte etwas werden können, wenn es ohne Gottschalk gelaufen wäre. Es fehlte stets nicht nur der letzte Schritt, ein lockeres, aber auch profundes Gespräch zu führen - es fehlten viele Schritte dorthin. Sich mit Gästen über Frisuren zu unterhalten, das lockt nicht. Wenn Gloria von Thurn und Taxis latent ihren Stockkonservatismus ausbreitet, wie erst kürzlich, so erwartet man, dass ein Gastgeber auf den Zahn fühlt und nicht zur nächsten Monologisierung schreitet.

Dass Gottschalk an einem Publikum gescheitert sei, welches das Konzept der Sendung nicht annehmen wollte, dürfte als Teil der Legendenbildung um seine Person bewertet werden. Gottschalk ist an sich selbst gescheitert - an den Erwartungen, die man in ihn setzte (und die er selbst in sich setzte) und an der mangelnden Gesprächskompetenz, die er mitbrachte. Anspruch und Wirklichkeit klafften weit auseinander. Und Gottschalk langweilte wie eh und je, wenn er sprach und lauschte. Ein Gastgeber, dessen Fragen und Einwürfe auf dem Niveau einer geselligen Männerrunde schlummern, kann einen Gast nicht spannend gestalten. Um den Ruf Gottschalks zu bewahren, ersinnt man Entschuldigungen seines Scheiterns, schiebt es auf das Publikum - dass aus einem Selbstdarsteller kein Talker wurde, ist aber nicht die Schuld der Zuschauer.



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Nomen non est omen

Freitag, 20. April 2012

Heute: frisch

Ein Gastbeitrag von Markus Vollack.
"Die Definition des Adjektivs ´frisch´: noch nicht alt, verdorben oder welk, nicht in irgendeiner Form haltbar gemacht, sauber, neu und nicht benutzt, so, dass es erst kürzlich erfolgt ist, kraftvoll; nicht matt, kühl, gerade erst geerntet, erzeugt, nicht gelagert."
- freecidtionary.com -
"Frisch" ist der zentrale Verkaufs– und Marketingbegriff. Restaurants, Einzel- und Großhandel sowie Fast Food-Ketten kommen ohne diesen Begriff nicht aus. Bei den Werbe– und Marketingstrategen gehört der Terminus zu den zentralen Verkaufsargumenten.

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Schönes neues Europa

Donnerstag, 19. April 2012

Was hat man den Griechen alles geraten! Man musste kämpfen, um ihnen die Demokratie langsam zu entreißen. Ratschlag war auch, demokratische Wahlen abzublasen, um politische Planungssicherheit zu erlangen. Demokratie am Reißbrett! So weit kam es nicht. Man entsandte Delegierte, die undemokratisch in Aufsichtsrat und auf Posten kooptiert wurden, nach Griechenland, ließ sie dort die Staatsgeschäfte leiten. Besatzungspolitik eines krämerischen Zeitalters. Früher Gewehr, heute Kleingedrucktes; Krawatte statt Stiefel; gleichgeschaltete Presse anstelle von Armeen.

Demokratie gegen Geld

Der nächste Kandidat zum Abbau der Demokratie scheint Spanien zu sein. Kein harter Brocken. Der ist innerlich viel reaktionärer aufgestellt als Griechenland. Proteste gegen die Sparpolitik der EU könnten dann dort bald schon als "Anschlag auf die Staatsgewalt" begriffen und geahndet werden. Spaniens Regierung ganz im Geiste Francos. Der Postfrancismo hat sich nie endgültig von jenen Köpfen und Geistern getrennt, die mit Franco Spanien dirigierten. Der oberste Feldheer, im Erstberuf königliche Majestät, vormals Ziehsohn des Caudillo, ist da auch nur ein Abziehbild einer Gesellschaft, in der der spanische Zentralstaat einerseits reaktionär handelt, andererseits dekadent an den eigenen Pfründen festhält. Man könnte ohnehin einmal nachfragen, ob denn die Sparpläne für Spanien auch vorsehen, sich von der Einrichtung des Königshauses zu trennen, um wenigstens einige Millionen lockerzumachen - damit könnten einige Familien mehr von der Caritas losgeeist werden, die derzeit so viele Menschen in Spanien unterstützt wie nie zuvor.

Spanien ist eine Gesellschaft, in der der liberale Geist zwar Einzug fand, der aber lediglich an der Seite eines reaktionären Grundkonsens lebt. Ein Grundgefühl, das die Jahre Francos überdauert hat. In der Kulturpolitik zeigt sich das, dort, wo man die Autonomiebestrebungen bestimmter spanischer Regionen behandelt. Wie man mit dem Baskischen umgeht, teilweise auch mit dem Katalanischen: das wirft ein Licht auf den Geist, den spanische Regierungen vertreten. Demonstrationsverbote sind da nur logische Konsequenz. Die EU wird es freuen - und die deutsche Presse wird lobend darüber zu berichten wissen. Schau her, Griechenland: Wer unsere Milliarden will, der muß auch was bieten! Demokratie einschränken, dann geben wir gerne Geld!

Schönes neues Europa

Insofern ist Spanien gar nicht tadelnswert. Der Neoliberalismus ist ja nicht krisensicher. Er braucht die fortwährende Krise sogar, um seine Ziele durchzusetzen. Staaten können in Krisen geraten, erklärt die herrschende Wirtschaftslehre. Wenn sie es tun, so müssen sie aber die Rezepte der neoliberalen Ärzte annehmen. Spanien ist damit letztlich gar nicht zu verurteilen - es ist eher ein Vorbild. Man hätte Griechenland die Not durchaus nicht unter die Nase gerieben. Dass es aber so ungestüm gegen Demokratieabbau und Mangelernährung demonstrierte, das war unverzeihlich. Spanien macht es so, dass keiner beanstanden kann. Von der Peripherie der EU her entsteht das neue Europa - eines ohne Beteiligung des Volkes, ohne demokratische Konzeptionen und, vielleicht geschieht auch das bald, eines ohne freie Wahlen.



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Koalitionäre Opposition

Montag, 16. April 2012

Die Bundestagswahl 2013 könnte man sich getrost sparen. Prozentzahlen stehen freilich noch nicht fest - aber dass am Ende eine Große Koalition steht, ja, stehen muß, das ist zweifellos programmiert. Die Sozialdemokratie spielt derzeit Opposition, wirkt dabei aber wie eine Regierung light, bejaht und bestärkt die Regierungsabsichten, indem sie hinter die Meldungen des Regierungssprechers ein dezentes Aber setzt und glaubt damit eine eigene Alternative zur neoliberalen Agenda gefunden zu haben. Dabei entkräftet sie nur die Drastik einer wirtschaftsgeführten Regierung und glaubt mit dieser Abmilderung ganz neue, ganz andere Positionen einzunehmen, als es der "Kombattant" tut.

Diametral entgegen steht man der Leitlinie, dem Weiter so!, dem Augen zu und durch!, dem Erhalt so schöner Installationen wie dem kontinuierlichen Abbau des Sozial- und Rechtsstaates, nicht. Die Sozialdemokratie kommt überhaupt nicht auf diese Idee - nicht mal jetzt, da das Scheitern offenbar wird, da auch das eigene Scheitern aus der Ära des Parteidespoten Schröder und seiner Pompadour namens Müntefering, deutlich wurde. Kein Schwenk, keine Hinwendung zu einem Konzept, das die Prämissen der herrschenden Ideologie nicht aufgreift, nicht nachbetet, sondern sie hinterfragt und auch der Lüge überführt. Kurz gesagt, die Sozialdemokratie weigert sich, mit den Linken in Verbund zu gehen. Das tut sie, während sie stolz erklärt, dass sie so anders sei als der Merkelismus.

Das dicke Lamento Gabriels, das man zuweilen hört und das stets nicht mehr ist, als eine Bejahung der Regierungsarbeit mit negierenden Worten - Steinmeiers farbloses Opponententum, das bei genauer Durchleuchtung nicht mehr als antichambrierendes Kratzen an der Türe des Kanzlerbüros ist - Steinbrücks... ja, was denn eigentlich, was macht der eigentlich? - Steinbrücks postschröderianisches Überleben, seine vorbereitete Kandidatur als maskuliner Klon der jetztigen Kanzlerausgabe - all das ist nicht Opposition, bereitet nicht auf einen Wechsel vor, auf keinen der Parteien und auf keinen der Agenda. Das kündet davon, dass die Große Koalition abgemachte Sache ist - es geht für die Sozialdemokratie nicht darum, die Wahlen zu gewinnen. Man möchte die Sonntagsfragen-Tendenzen erhalten und konservieren bis in den Herbst 2013 hinein. Das ist die traurige Vision einer Partei, die keinerlei Visionen mehr hat. Zu mehr taugt sie nicht mehr.

Als Koalitionspartner sagt man dann wieder Aber, wenn der andere Partner etwas erzählt. Dann noch leiser als jetzt, noch versteckter. Dann spielt man die Opposition in der Regierungsbank, um den Gelüsten der Konservativen Einhalt zu gebieten - so wie man jetzt Koalitionspartner in der Opposition spielt, um als baldiger Partner auch attraktiv zu wirken. Sozialdemokratie ist immer das Gegenteil dessen, was sie gerade darstellen soll. Jetzt steht sie als Korrektiv der Macht zur Macht, um die nationale Einheit zu stärken. Danach spielt sie als Teil der Macht das Korrektiv der Macht, um diese zu bändigen - sie spielt diese Rolle dann freilich nur halbherzig, mit noch weniger lauten Abers und viel selteneren Einwänden.

Schon jetzt ist sie koalitionär. Wer soll da noch an der Großen Koalition zweifeln? Die Sozialdemokratie, einst mit großen Utopien ausgestattet, mit Stärkung des Sozialstaates, um den Habenichtsen die Freiheit zu sichern, mit Absichten mehr Demokratie zu wagen - heute ist ihre Vision, Merkel nicht zu sehr verärgern, die eigenen zaghaften Zuwächse in Umfragen nicht zu gefährden, um Koalitionspartner werden zu können, der Merkel korregiert. Nickend korregiert. Zustimmend korregiert. Affirmativ korrigiert. Mit zustimmenden Einwänden und einwilligenden Widerreden. Sozialdemokratisch ist, die Konzepte der Gegenseite als untragbar abzutun, um sie durch Konzepte der Gegenseite zu ersetzen.



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Totalitär demokratisch

Sonntag, 15. April 2012

Demokratie nennen wir die hiesige, sich anschleichende Diktatur. Sie ist nicht das Diktat eines Tyrannen, nicht einer tyrannischen Schicht. Sie ist keine Diktatur der Folterkeller - gefoltert und Geständnisse verwertet wurde von guten syrischen Geheimdienstfreunden, die jetzt als irgendwie unmenschlich und widerlich böse empfunden werden. Sie tötet nicht so ungemein offen, wie es andere taten und tun. Sie läßt meistens sogar leben.

Es ist keine Diktatur, die in Uniformen packt, im Stechschritt paradiert oder in Zöpfe geflochtene Mädchenbunde und homoerotische Bubengruppen ins Leben ruft. Sie schimmert individuell und liberal, gibt die große Freiheit und hat einen Aufsichtsratvorsitzenden an der Spitze, der geübt ist in freiheitlicher Rede. Die Diktatur, die sich heranpirscht, sie ist nicht grob, nicht laut, nicht absolut, nicht total. Es ist eine der kleinen Worte, der warmen Worte - nicht zu warm! -, der Heimlichkeiten, des Verschweigens und des zum Schweigen Verurteilens. Sie entledigt sich nicht derer, die nicht mit den Plänen des Sachzwangs gehen, sie unterdrückt nur deren freie Rede. Total demokratisch - totalitär demokratisch.

Der Sachzwang, wie man die wirtschaftliche Omnipräsenz und Omnipotenz entschuldigend nennt, er ist der Diktator. Um ihn hat sich das Demokratische zu spannen. Nicht zu eng - das spannt und zwickt dem Tyrannen nur. Lose, schön locker, jederzeit abwerf-, aufknöpf-, über den Kopf ziehbar. Das lockere demokratische Gewand gibt der Diktatur, die nun auch Abweichlern das Maul verbietet, was selbst der Ältestenrat des Bundestages für eine Verbesserung hält, einen Anstrich von demokratischer Zweckmäßigkeit. Das beste Diktat, so die Erkenntnis menschlicher Geschichte, ist immer noch eines, das demokratisch diktiert wird.

Demokratie ist jene Diktatur, die Abweichler Diäten einschieben, allerdings nicht mehr sprechen läßt. Demokratie wird zu jener Art von Totalitarismus, die fast jede erdenkliche Freiheit gewährt, wenn man nur nicht so frei ist, gegen die Sachzwänge zu steuern. Demokratie wie sie sie meinen, wie sie an ihr schleifen, ist die Einbindung aller gesellschaftlichen Interessen, ohne allen das Wort zu erteilen. Demokratie, wie sie sie modellieren, ist eine Gegner integrierende, Gegenmeinungen nicht verbietende, nur verschweigende, Diktatur des Sachzwangs. Diktatur mit menschlichem Antlitz.

In einer Demokratie, so meinte ein Bonmot, das den diktatorischen Kern dieses Systems malte, dürfe jeder alles sagen, gemacht würde dann aber, was die Führung vorher schon wollte - nicht mal das ist mehr drin. Demokratie heißt nun, zu glauben, eine abweichende Meinung haben, diese im Innersten auch besitzen zu dürfen, sie aber nicht kundtun zu dürfen. Demokratie, wie sie sie meinen: Sich mit Schlagworten wie Meinungspluralismus selbstbeweihräuchern als bestes aller Systeme, dabei aber eine Diktatur nur einer gängigen Ansicht durchboxen. Demokratie, Diktatur - die Begriffe verschwimmen merkelich.



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Ridendo dicere verum

Donnerstag, 12. April 2012

"Philosophen sind Gewalttäter, die keine Armee zur Verfügung haben und sich deshalb die Welt in der Weise unterwerfen, dass sie sie in ein System sperren."
- Robert Musil, "Der Mann ohne Eigenschaften" -

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Krass!

Montag, 9. April 2012

Günter Grass' Gedichtlein ist literarisch ungefähr so spektakulär wie Roches Feuchtgebiete. Sprachlich gehaltvoller freilich, aber inhaltlich sagt es auch wenig Neues. Die Reaktionen die er nun aber erntet sind Beißreflexe konditionierter Terrier, die Grass je nach Laune und Neigung Antisemitismus oder einfach nur Verdrehung der Tatsachen vorwerfen. Und wieder einmal steht auch die Freiheit der Kunst mit auf der Agenda der politisch korrekten Ausgestaltung dieses Landes - diese verlangt scheinbar auch, dass sich der Künstler so zu verhalten hat, dass daraus keinerlei Angriffsfläche entstehen kann.

Krasse Reaktionen

Grass hat seinen Zenit überschritten. Das ist auch nicht verwunderlich. Was soll nach seinen Werken, nach dem Nobelpreis auch noch kommen? Sein Outing, Mitglied der SS gewesen zu sein, wurde benutzt, um ihn zu diskreditieren. Die Reaktionen fielen damals so krass aus wie heute. Als wäre der junge Bursche, der blind und vielleicht auch unwissend, in jedem Falle aber unerfahren war, derselbe Mann gewesen, der später mit seiner Literatur an die Nazi-Ära erinnerte. Als hätte diese juvenile Mitgliedschaft all sein Erinnern, sein literarisches Umschreiben wertlos gemacht. Wer Grass damals dafür verurteilte, der hat nicht begriffen, was resozialisierende Aspekte sind - und er hat sich nebenbei mit einer Art von "spätgeburtlichen Gesinnungsterrorismus" hervorgetan, den man nur verurteilen kann. Denn das so viele mitgemacht haben in den Jahren 1933 bis 1945 war vielleicht skandalös, oft aber auch unvermeidbar, ohne es als Entschuldigung verwenden zu wollen - dass man nach 1945 darüber so beharrlich schwieg: das war der noch viel größere Skandal. Und Grass hat eben nicht geschwiegen.

Dieses Outing, es dürfte auch der Grund sein, warum man Grass nun für sein Gedicht abkanzelt. Man hat den Eindruck, es stammt von einem diskreditierten Menschen. Fehlt nur noch, dass man mit einer Schlagzeile titelt, die da lauten möge: "SS-Mann beleidigt Juden!" Noch geht es nicht so weit, noch ist die Empörungen typisch krasses Feuilleton-Wichtiggetue. Die taz macht Grass zum Antisemiten, der Stern will ihn mit dem Islamhasser Broder (!) entkräften. Letzteres ist kein Witz, sondern die Spiegelung des intellektuellen Zustandes jener Zeitung und vielleicht der gesamten Republik.

Krasses Weltbild in Schwarz und Weiß

Was gesagt werden muß - so der Titel. Wahr ist aber auch, dass Grass etwas dramatisiert. Es ist keine verbotene Wahrheit, man darf sie sagen. Man darf mittlerweile ganz andere Sachen sagen in diesem Land - Sachen, die an der Menschenwürde kratzen. Aber natürlich läuft man dann Gefahr, als Israelfeind und vielleicht gar als Antisemit bezeichnet zu werden. Das Selbstverteidigungsrecht, so argumentiert man dann, sei ausgerechnet für Israel so fundamental, dass man die jeweiligen Aspekte dieser Selbstverteidigung gar nicht hinterfragen dürfe. Endlich würden sich die Juden verteidigen, endlich seien sie nicht mehr Opfer. Das ist ja zu begrüßen. Aber ist die Praxis, wie Israel mit der arabischen Bevölkerung in und um Israel umgeht deswegen sakrosankt? Israel existiere in einem feindlichen Umfeld. Aber sind manche Feindlichkeiten nicht auch hausgemacht? Das muß doch mal gesagt werden dürfen - gesagt werden soll aber nur, was an Randgruppen ohne Lobby reicht; an Moslems, an Arbeitslose beispielsweise. Da darf dann auch menschenunwürdig gesagt werden. Das ist dann auch politisch korrekt.

Gerade den auch (nicht nur!) hausgemachten Hass auf Israel durch Israel selbst wirft man Grass vor. Er habe die Tatsachen verdreht. Und schon die Nazis hätten ja so argumentiert, als sie meinten, der Hass auf Juden sei den Juden selbst geschuldet. Aber es geht Grass auch nicht um Juden, es geht ihm um Israel - eine Unterscheidung, die es für manche Köpfe nicht zu geben scheint. In zwischenstaatlichen Dingen ist meist bilateral - Spannungen kommen nicht einseitig, sie entstehen aus zwei Lagern heraus. Israel sei ja nur Atommacht, um sich gegen den Iran zu schützen. Der plane die Atombombe schließlich - und er habe sie jetzt auch bald. Das hat Der Postillon, unnachahmlich humoristisch, vor einiger Zeit persifliert. Der Iran feiere, seit 20 Jahren kurz vor der Fertigstellung der Atombombe zu stehen - das zeigt eigentlich, wie ernst es dem Iran wirklich ist und mit welcher Chuzpe man diese Gefahr instrumentalisiert, um die eigene Gewaltbereitschaft zu rechtfertigen.

Krasse Abneigung gegen künstlerische Freiheit

Es ist ja nicht nur der politische Inhalt, der wie gesagt, nicht so neu, nicht so revolutionär ist. Die Folgen sind auch bekannt, Grass hat sie ja geahnt. Wer den Islam inbrünstig verunglimpft, der betreibt Islamkritik - wer Israel zaghaft kritisiert, der widmet sich dem Israel- und Judenhass. Man kennt das ja: die Macht der Begriffe. Letztlich geht es aber auch darum, ob ein Literat nicht die Berechtigung haben muß, seine Sicht der Welt darzulegen, ohne dass der politisch korrekte Teil der Republik aufbegehrt - wenn man Grass nun mit Sarrazin vergleicht, der auch mit Sprüchen wie Das wird man doch mal sagen dürfen! auflief, dann stimmt die Relation nicht. Sarrazin ist kein Künstler, höchstens ein staatlich subventionierter Lebenskünstler - sein Buch ist keine Literatur, es baut auf Statistiken, die teilweise so gelesen wurden, wie er sie gerade brauchte.

Grass ist Literat, Künstler also - er baut seine Welt nicht auf Statistiken und Zahlen, er macht damit auch keine Politik, sondern greift die Politik auf, um sie in sein Werk einzupassen. Der Literat beschreibt Gefühle, er zeichnet Tendenzen nach - ohne Anspruch auf Richtigkeit. Die Tendenz sollte dabei stimmen, nicht jedes Detail - wäre Kunst so genau, dann wäre sie langweilig. Grass gilt als deutscher Vertreter des magischen Realismus - gerade als solcher weiß er genau, dass es nicht um die absolute Detailiertheit der Wahrheit geht, sondern um die Stoßrichtung, die sein Schaffen haben soll. Und dieses Gedicht, es geht nicht in die falsche Richtung, wie man ihm unterstellt - die Reaktionen darauf zeigen das eindringlich. Den Nobelpreis erhalten: das ist eine Sache - Forderungen, man möge ihn wieder entwenden: das zeigt nur, dass man als Schriftsteller noch Wunden bohren kann und ist damit die Bestätigung, dass der Preis mit Recht verliehen wurde. Wenn es Kunst in die Empörungsspalten von Tageszeitungen schafft, dann hat sie etwas bewirkt. Aber die Reaktionen zeigen auch, dass man mit der Freiheit des Künstlers in Zeiten politischer Korrektheit ein Problem hat. Diese Freiheit behindert, erzeugt Diskussionen, polarisiert und lenkt ab - und genau das will man in Zeiten, da alles reibungslos und kritiklos geschehen soll, nicht mehr gerne haben.



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Das wars von dieser Stelle...

Donnerstag, 5. April 2012

oder: schon wieder in eigener Sache - diesmal ohne zu scherzen.

Und so wird es in den nächsten Tagen ruhiger werden um ad sinistram. Vielleicht gelingt es mir, bei all dem Stress, doch hin und wieder diese Seiten zu füllen. Ein Versprechen ist das jedoch nicht. Umzug ist - und der geht nicht um die Ecke, er geht aus dem bayerischen Bundeslanden hinaus, hinüber in ein anderes. Wohin, das entnehme man künftig dem Impressum. Nicht mehr so südlich, aber auf keinen Fall nördlich, liegt es.

Ja, in der Zivilisation liegt es, hat mir neulich einer gesagt und mir gratuliert. Endlich aus dem bayerischen Provinzstaat hinaus, endlich unter Menschen, weg von Bauern. So ist es aber nicht. Man hat im Rest der Republik ja stets das Bild vor Augen, in Bayern würden nur konservative Hardliner und verdummkopfte Lederhosen leben. Oh ja, die gibt es ja auch - und nicht zu knapp, wenn ich das hinzufügen darf. Der Regelfall ist der aber nicht. Das Land der CSU, es ist auch gemütlich - nicht, weil es die CSU wäre, die Gemütlichkeit macht - und das Land der Bayern ist ohnehin nicht das Land der CSU, um mal ganz korrekt zu sein. Das Leben ist hier, ganz im Gegensatz zum "aufgeklärten Teil der Republik", von beschaulicher Ignoranz und Duldung seines Nächsten geprägt. Leben und leben lassen, nennt sich dieses Prinzip. Man muß nicht tolerieren - es reicht, wenn man ignoriert, wenn man ignorant genug ist, seinen Nächsten nicht auf die Nerven zu gehen. Dies ist nicht überall hierzulande so.

Und Stichwort "konservatives Bayern": München hatte Revolution, die Räterepublik war dort heimisch - Bayern ist zerrissen zwischen Konservativjanker und autarken Strömungen und Misstrauen gegenüber den Mächtigen, wie man das heute noch in vielen Gemeinden erleben kann. Wer Bayern zum geschlossenen konservativen CSU-treuen Land macht, der hat keinen Schimmer von dieser Gegend...

Und dann der Katholizismus, den man bemängelt. Ich gehe nicht zur Kirche, Gott ist für mich nur als Sänger des Biene Maja-Themes existent; In einem unbekannten Land singt er - und mit dem halte ich es auch. Denn warum von unbekannten Territorien fabulieren? Man weiß so wenig. Und mir ist das Bekannte schon unfassbar genug. Aber der Katholizismus hat auch Ruhepole geschaffen. Wenn man mal die puritanisch-protestantischen Metropolen Deutschlands betrachtet, dort wo die Arbeitsmoral der Arbeit macht frei-Ideologie wohnt, dann weiß man, wovon ich rede. Natürlich wird auch der Katholizismus protestantischer, was heißt: er wird neoliberaler, aber noch ist er die deutlich mildere Variante von Frömmelei - jedenfalls auf die Ökonomisierung gemünzt.

Dass man auch in Bayern ausländerfeindlich ist, liegt auf der Hand. Ich weiß wovon ich rede. Aber die bösartigen Affekte, die man andernorts gegen Ausländer vernimmt, sind in Bayern rar. Man schätzt seinen Ausländer nicht, aber man läßt ihn in Ruhe - leben und leben lassen; besser als gar nichts, finde ich.

Ach, ich will kein Hohelied auf Bayern anstimmen, zumal ich es verlasse. Ich will nur mitteilen, dass es hier bei ad sinistram beruhigter, gemütlicher, ja bayerischer zugehen wird in den nächsten Tagen, hoffentlich nicht Wochen. Aber ich komme wieder. Dann aus Nicht-Bayern. Gründe für diesen Umzug gibt es - ich weiß ja, dass diese Frage auftauchen wird. Also, keine Sorge, es sind Gründe da. Mehr sog i net...

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Sit venia verbo

Mittwoch, 4. April 2012

"In das Feld der fachlichen Inkompetenz fällt aber auch der Umstand, dass manche Entscheidungsträger im Umgangsrecht noch immer der Meinung sind, die Kinder gehörten im Zweifel zur Frau - und nicht, abwechselnd, zu beiden Eltern (Stichwort Wechselmodell). Teilweise prägen spätfeministische Vorurteile das Vorgehen von Jugendämtern und Familiengerichten. In den Jugendämtern hat man es bisweilen mit durch die Genderforschung sozialisierten Sozialpädagoginnen zu tun, die besonders Unterschichtenmännern gern die Rolle der Täter zuweisen. Während juristisch längst das Zerrüttungsprinzip in Kraft ist, bildet das "Täter-Opfer-Denken" manchmal noch das gängige Schema zur Handhabung von Scheidungsfällen. Alleinerziehende Mütter werden dann pauschal als Opfer betrachtet."
- Katrin Hummel, "Entsorgte Väter" -

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Fragen in die polizeistaatliche Zukunft

Dienstag, 3. April 2012

Die Medien haben aus ihrer hektischen Eile gelernt. Nachdem letzte Woche ein unschuldiger Jugendlicher zu einem Täter wurde, man ihn zum Kindermörder machte, berichten sie jetzt von einem geständigen jungen Mann. Und da mit dem Mord ein älteres Vergehen offenbar wurde, fragen sie nun betroffen: Hätte man den Kerl nicht eigentlich schon vorher haben müssen? Eine DNS-Analyse ergab, dass der junge Mann möglicherweise vorher schon Sexualstraftaten begangen hat. Konnte man seiner denn nicht vor dem Mord habhaft werden, ist die fragende Reaktion der Medien darauf. So fragen auch die ZDF-Nachrichten. Warum hatte man ihn nicht vorher schon des Mordes überführt, bevor er den Mord begangen hat? Man hatte doch seine DNS schon. Was sie jedoch nicht sagen: Es gab keinen Vergleichswert. Da ist natürlich die DNS-Kartei wieder im Gespräch. Und warum, man nebenher festgestellt, die Medien dauernd von DNA sprechen, von -A für acid, kein -S für Säure verwenden, kann wohl auch nicht geklärt werden.

Natürlich wussten die ZDF-Nachrichten, dass das Versehen, einen falschen Tatverdächtigen zu einem Täter gemacht zu haben, zu einen Täter, mit dem man böse wurde, weil er einfach nicht gestehen wollte - natürlich wusste das ZDF, dass man dieses Versehen dem Internet, Facebook und dem sich dort formierenden Mob zu verdanken habe. Die eigene Rolle - reden wir mal nicht von Springer - in diesem Spiel bleibt verdeckt. Hat denn das ZDF nicht letzte Woche bewegte Bilder eines Mannes gezeigt, der abgeführt wird und waren dabei nicht deutlich Rufe wilder Mütter und Väter zu hören, die schimpften, die Monster! riefen und denen man das zornesrote Gesicht ansah, obwohl man sie nicht sah, nur hörte? Ist das etwa kein tendenziöses Ausstrahlen gewesen? Hat man da nicht Bild- und Tonmaterial verwendet, das die Tendenz aufwies, es hier mit dem Mörder zu tun zu haben? Aber nein, der Internet-Mob ist daran schuld - dass der, bevor er sich in Facebook zum Lynchen verabredete, womöglich ein Springer-Blatt gelesen und beim ZDF die windige Springer-Information vermeintlich seriös abgesegnet, berichtet man nicht.


Einen geständigen Tatverdächtigen hat man nun. Erwischt, nachdem er vermeintlich schon vormals seine DNS verstreut hatte. Hätte der Mord nicht verhindert werden können?, fragen sie nun. Hat die Polizei versagt? Ja, was hätte sie denn machen sollen? Eine DNS zu haben bedeutet überhaupt nichts - sie braucht den Vergleich. DNS scheint auch für Medien, die sich als seriös empfinden, ein Mittel omnipräsenter Überwachung und Prävention zu sein. DNS ist ein Zauberwort, der Traum von der Habhaftwerdung des Verbrechers, bevor er überhaupt ein Verbrechen begangen hat. DNS gibt es dort ja gar nicht - nur DNA. Genauso doof könnte das ZDF fragen, ob die Polizei nicht hat ahnen können, dass da bald ein Mord begangen würde. Precrime kann man sich doch mal wünschen!

Die rhetorische Frage, ob denn die Polizei diesen Mann nicht schon hätte vorher haben müssen, macht schon erkennbar, wie die jahrelange Schleifung des Verstandes, wenn es um Fragen der inneren Sicherheit geht, im Alltag Einzug gefunden hat. Die Frage zielt nämlich darauf ab, dass zurückgelassene Daten einer Person am Tatort immer gleich zielführend sein müssen - anders gesagt: es sollte also eine DNS-Datei geben, in der alle Bürger erfasst sind, in der man gefundene DNS einspeist und abgleicht - eine Datei, die postnatale Proben enthält und jederzeit dem behördlichen Zugriff obliegen. Eine Datei, die nur der erste Schritt zu einer Gesellschaft sein kann, in der potenzielle Verbrechen geahndet werden, nicht faktisch begangene, faktisch versuchte. Anders ist diese Frage gar nicht zu deuten, wenn sie noch einen Sinn haben soll. Der Polizeistaat ist in den Köpfen, auch wenn diese Köpfe das niemals bejahen würden - und das in einem landesweiten Klima, in dem der polizeistaatlichen Entwürfe der deutschen Vergangenheit gedacht wird, in dem man sie aufarbeitet und als nie wiederholbar erhofft.

An diesem Sexualmord in Emden wird deutlich, woran die Medien leiden - nicht nur die Zeitung, deren Namen hier mal ungenannt bleibt, die aber weitläufig als rachsüchtiges Lynchblatt bekannt ist. Auch die ganz ernsthaften unter ihnen. Sie berichten unkritisch, unsachlich, ohne Substanz und Ahnung von der Materie. Und zeitigt die Windigkeit, mit der man das Geschäft bestreitet so unfassbare Folgen, wie im Fall Emden, dann schiebt man es einfach auf die neuen Medien und stellt Fragen, die in einen komplett überwachten Polizeistaat passten, nicht aber in ein Land, in dem Freiheit gepredigt wird und in dem dessen oberster Dienstherr die Freiheit im Mund führt, wie andere Leute Zigaretten...



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Das ist doch schon ein Zwang!

Montag, 2. April 2012

Der kann schwafeln was er will, wiederholen so oft er will. Frei ist er nicht. Frei ist was anderes. Der Mann spricht so zwanghaft von Freiheit, dass man glaubt, er habe keinerlei Freiheiten, sich seine Floskeln frei auszuwählen. Das ist nicht frei, nicht freier Wille - das ist determiniert, die Unfreiheit der ankonditionierten Zwanghaftigkeit.

Anders sprach er nie. Nun als Bundespräsident tut er das auch nicht. Freiheit, immer Freiheit. Polen sei für ihn das "Land der Freiheit" - das sagte er, kaum dass er im Bundestag sprach. Im Bundestag von Freiheit sprach - von was sonst? Dass Freiheit sein Thema sei, das wusste man ja. Aber der Mann ist schon jetzt inhaltlich so abgenutzt, dass man sagen kann: Kennt man eine Rede von ihm, kennt man alle! Freiheit - was ist denn das genau? Konkret ist das nicht, was er so von sich gibt. Die Freiheit, die die Negersklaven bekamen, die sich dann als schlecht dotierte Arbeitnehmer verdingen mussten, war bloß eine liberalere Form von Gefangenschaft - die Unfreiheit, die einer erhält, nachdem man die gegen ihn verhängte Todesstrafe aufhebt, ist hingegen wie ein Geschenk. Freiheit klingt wohlig, klingt eindrucksvoll - aber konkreter sollte er schon mal werden. Ständig nur Freiheitfreiheitfreiheit im Mund zu führen, wäre in etwa so konkret, so in nuce gehend, als würde man ein Referat über die Bundesliga halten, ohne auch nur etwas so profundes wie deren Struktur, deren Organisation oder auch nur den Namen einer Bundesligamannschaft zu benennen; als würde man anstelle von Inhalten nur immer wieder betonen, wie schön doch der Fußballsport sei.

Es graut einem bei diesen in Aussicht gestellten fünf Jahren. Jede Woche eine Rede, in der die Freiheit einen fest verankerten Platz hat - jetzt Polen als Land der Freiheit - demnächst vielleicht ein Besuch in China, das er lobt, weil es sich der westlichen Freiheit zuwende, das er ermahnt, die Freiheit nicht aufzugeben - und übermorgen zeigt er sich bei den USA erkenntlich, für deren unermüdlichen Einsatz für die Freiheit - ob dieser Mann auch die Freiheit textlich einbaut, wenn er sich eine Bratwurst bestellt? Der Mann ruft Freiheit! wenn jemand niest - Freiheit!, wenn er jemanden grüßt - Freiheit!, wenn er seine Liebste herzt. Kann er etwas anderes?

Wie schon erwähnt, Freiheit ist schön, wenn man nur immer jeweils wüsste, was mit der gerade erwähnten, gerade gemeinten Freiheit explizit gemeint sein könnte. Das ewige Problem des neuen Präsidenten, so las man, sei sein laxer Umgang mit dem Freiheitsbegriff, der gleichwohl derselbe der Marktliberalen sein könnte und vermutlich auch ist. Das ewige Problem seiner Präsidentschaft, so könnte man jetzt vermuten, wird die endlose Wiederholung stets gleich lautender Ansprachen sein. Er wird sich schnell abnutzen, wird eine ähnlich gleiche Standzeit haben, wie ein Bolzen, den man an die Schleifscheibe drückt. Eine Modern Talking-Gestalt, die nicht modern spricht, nicht zeitgemäß, sondern das tut, was Modern Talking tat: sich unter neuen Titel immer wieder wieder wieder wiederholen. Mit ungefähr demselben Tiefgang wie die beiden sonnengebräunten Kastraten damals.

Der Mann ist doch nicht frei - das ist doch schon ein Zwang. Wenn die Gerechtigkeit ihm mal so zum Zwang würde - aber dann wäre er nicht mehr Präsident, denn dann nähmen sich seine Installateure wiederum das, was er immer predigte: die Freiheit nämlich, ihm ein Affärchen anzudichten...



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In eigener Sache

Sonntag, 1. April 2012

oder: ab jetzt grün gesponsort.

Die Spatzen munkelten es schon von den Dächern. Wie soll man sich erklären? Dann gleich mit der gesamten Wahrheit auf den Tisch. Mir wurde ein Angebot gemacht - besser gesagt: ad sinistram wurde zum Handelsobjekt. 120.000 Euro erhalte ich, um die Rechte an ad sinistram zu verkaufen - dieses firmiert künftighin unter dem Namen McDonalds ad sinistram unter den Blogs, die was auf sich halten.

Für eine biologisch angebaute, vertriebene, abbaubare Welt

Nein, wenn Sie mich so fragen: ein schlechtes Gewissen habe ich keines. Ich bekomme doch Geld dafür. Und es ist ja nicht so, dass ich mich mit dem Teufel einlassen würde. Schauen Sie, McDonalds hat nun etwas Grünes im Logo und in der Werbung sieht man deutlich, dass die Rinder fröhlich sind und die Kartoffeln glücklich. Alles biologisch und ethisch einwandfrei. Würde das McDonalds so nachdrücklich aufzeigen, wenn es nicht so wäre? Was hätte der Kotzern denn davon?

Man muß etwas tun, damit die Welt besser wird. Als man mir Geld bot, um ad sinistram einem Sponsor zu überstellen, da war ich natürlich erst skeptisch. Wohin würde das führen? Letztlich konnte mich McDonalds hundertzwanzigtausend Mal überzeugen. Der Name des Unternehmens wird ad sinistram zieren und ich behalte alle Kompetenzen und jegliche Freiheit, auch mal positiv über Fastfood berichten zu dürfen. Nicht schwatzen, Verträge abschließen mit biologischen Betrieben, sie unterstützen, populär machen - eine bessere Welt schaffen!

Unterstützung neuer Betriebskulturen

Ich hoffe sehr, werte Leserschaft, der Schritt ist für Sie nachvollziehbar. Der knallharte Wettbewerb macht ihn notwendig. Und mit dem besagten Unternehmen habe ich mir ja einen eindeutig linken Partner, ein soziales Unternehmen als Sponsor ausgesucht. Es hätte schlimmer kommen können - McDonalds ad sinistram ist nur Ausdruck einer umdenkenden Betriebskultur. Endlich sollen Rinder und Kartoffeln so glücklich sein, wie die Kundschaft, wenn sie ihren Hackmassenwaschlappen zwischen zwei Styroporhälften über den Tresen geschoben bekommt. Das kann man nur unterstützen wollen... und wenn auch Sie mich unterstützen möchten, ich teile Ihnen gerne Kontodaten mit oder verweise Sie auf PayPal. Und wer noch keines hat, kann auch gerne eines meiner zahlreichen zwei Bücher bestellen



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