Völkisch-Rock bald auf Deutschland-Tournee

Mittwoch, 5. Juni 2013

Die Bild am Sonntag begleitete Andreas Gabalier "ein kurzes Stück auf seinem Weg". So liest man von einem erfolgreichen Jura-Studenten, dem die Anhänger von am Reißbrett durchpopularisierter Volksmusik, Slips auf die Bühne werfen. Und man ist überdies sichtlich bemüht, den jungen Mann als fleißigen und urwüchsig galanten Kerl ins rechte Licht zu rücken. Oder eher genau das nicht. Denn vom rechten Licht will man eher ablenken.

Ein Hakenkreuz aus Fleisch und Blut

Gabalier wurde schon mehrfach der Kritik ausgesetzt. Er selbst schweigt sich dazu aus. Vorallem das Cover seines Albums Volks-Rock 'n' Roller, auf dem er körperlich ein Hakenkreuz andeutet, empörte nachhaltig. Dass sich "Italiener, Deutsche und Japaner" in einer Textzeile grüßen, ist schon ein komischer Zufall mit den Achsenmächten. Und dass er meint, die Freundschaft "prägt [ein Männerleben] wie ein eisernes Kreuz", ist noch so ein zufälliger Wink mit dem Zaunpfahl.

Überhaupt geht es bei Gabaliers angepassten Alm-Folk-Rock immer auch um Kameradschaft, die Heimat und die Verbundenheit mit Land und Leuten. Er ist temporeicher Schmalz auf Blut-und-Boden-Basis und er reichert den ganzen Sud um einige Sentenzen an, die wie Bodenständigkeit klingen, die aber nicht weniger als völkische Romantik sind. Nebenher läßt er sich gerne als gestählten und schön gegelten Kerl ablichten, ein wenig Riefenstahl-Optik einfließen, um die Geschichte vom jungen Studenten, der die Welt der Volksmusik erobert und Hallen füllt, als seinen ganz persönlichen Triumph des Willens hinzustellen.

Blut-und-Boden-Ideologie meint, dass das Blut für Abstammung und der Boden für Nahrungsgewinn und Lebensraum steht. Und so singt Gabalier vom Steirerland und von Obersteirer. Andere Titel nennen sich Heimatburschen oder Meine Heimat. Im Lied Bergbauernbuam singt er Unsa Buttabrot ess ma mit Pfeffa und Soiz / Sten auf Speckknedl, Schweinsbrotn und Grammlschmoiz - was der Boden halt so hergibt. Andere singen auch vom Essen, sicherlich - aber die romantische Verklärung vom Essen und Abstammung, sie ist der romantische Rückgriff auf das, was Blut und Boden ausmacht. Gabalier gibt sich hier als singender Blubo-Poet und feiert den Lebensraum in Partymusik.

Die Stilistik, mit der sich das Völkische zum Sonntagsbrötchen vorstellt

Auch in dem Artikel, den die Bild am Sonntag brachte, wiederholt sich manches hiervon. Gabalier spricht von Heimat, von Wiesen, in die er sich setzt und von Bergen. Sein Mädel, so sagt er ungeniert, "muss von daheim kommen". Diese "Bodenständigkeit" mag der unbedarfte Leser, er glaubt, da sei einer auf den Teppich geblieben, wolle nicht abheben. Im Arrangement seiner Botschaft klingt dieses "... von daheim kommen ..." freilich etwas anders. Das Völkische wird zur Naturburschenschaft umgedeutet, zu einem eigentlich erstrebenswerten, weil natürlichen Zustand, die Grenze zwischen ökologischem Bewusstsein und Öko-Faschismus verschwimmen. Andrea Berg nennt diese Haltung "so authentisch" und nimmt so die Brisanz heraus, macht ihn zu einem "ehrlichen Makler" völkischer Ansichten.

Er wirkt keck, erzählt aber dennoch die Geschichte von seinem Vater und seiner Schwester, die sich das Leben nahmen. Das kommt an, das heizt Mitleid an und macht jeden völkischen Ansatz verzeihlich. Dass er nicht schwul aussehen mag, scheint ihm wichtig zu sein. Womöglich ist das Schwule auch etwas, was dem "Naturburschen" nicht sonderlich natürlich vorkommt.

Der völkische Rock 'n' Roller und seine ihn entpolitisierenden Anhänger

Kritik an diesem Rock 'n' Roller erntet so folgerichtig Empörung. Seine Anhänger halten es für ein Politikum und für Gesinnungsterror, wie man mit ihrem Andi umspringt. Man kenne ihn ja schließlich gar nicht persönlich. Und die Vorwürfe seien allesamt an den Haaren herbeigezogen. Es sei der pure Neid, weil da jemand Erfolg habe. Wahnwitzig nennen sie es, dass man ein Hakenkreuz aus seiner Körperhaltung herausdeute - und seine Texte sagten nicht das aus, was man ihm vorwirft. Mit "Italiener, Deutsche und Japaner", das ja im Lied Biker vorkommt, meine er lediglich verschiedene beliebte Maschinentypen. Doppeldeutigkeit ist seinen Anhängern scheinbar völlig fremd, der Andi sagt es ja immer so, wie er es meint. Und so ehrlich singt er vermutlich auch.

Volkes Stimme erhebt sich zur völkischen Stimme. Und so entpolitisiert sie Gabalier. Es sind nicht nur seine Anhänger dabei, sondern auch solche, die tunlichst betonen, ihn nicht zu hören, die aber von der linken Hetzjagd angewidert seien. Auch sie entpolitisieren diesen völkischen Tiefgang, erklären Heimatverklärung und Blut-und-Boden-Metaphorik zum Songtext, der ja nichts weiter bedeute, als gute Laune erzeugen zu wollen. Er heize nur zur Party ein, trommle aber keine Parolen. Die Stimmungskanone erhält Flankenschutz und wird zum unbescholtenen Musiker erklärt. Dass dieses völkische Gekuschel ein durchgängiges Konzept bei ihm ist, dass er also im weitesten Sinne völkische Konzeptalben auf den Markt bringt, wird strikt geleugnet und als Verfolgungswahn der Kritiker diffamiert.

Hintertürchen der völkischen (Tanz-)Bewegung

Der fröhliche Botschafter dieser völkischen Bewegungsübung tritt Ende September seine Deutschland-Tournee an. Dieses Hintertürchen zum Völkischen ermöglicht RTL. Die Bild am Sonntag poliert diese fröhliche Stimmungskanone pflichtgemäß auf - die übliche Kooperation zwischen RTL und Springer.

Natürlich ist Gabalier kein politischer Redner, natürlich sind seine Texte keine Programme. Aber mit diesem lausigen Romantizismus, bereitet er die völkische Denkweise auf, macht den Boden fruchtbar, erzeugt bei seinen Zuhörern den Eindruck, es sei ja nichts dabei, so zu ticken. Diese völkische Inspiration wird nicht nur zur irgendwie peinlich zu versteckenden Denkart, sondern gleich zur Tanzbewegung, zu einem lustigen Ausgelassensein, also eine offen zur Schau getragene Weltsicht. Natürlich reißt man mit musikalischer Botschaft keine Schneisen, aber man trägt die Sensibilität ab, macht es für den politischen Alltag leichter, sich einer neuen Völkelei zu verschreiben. Denn am Völkischen kann nichts Schlechtes sein, wie es ja schon dieser Naturbursche aus Österreich, dieser Gabalier, vorlebt und vorsingt.


16 Kommentare:

piet 5. Juni 2013 um 09:01  

Nach Freiwild der nächste Mostschädel aus Österreich. Können die Alpen nicht mal schnell zusammenklappen und das Geknödel unter sich begraben ? Schlimmer noch empfinde ich das hirnentsorgte Publikum, das sich für sowas findet. Ein Prosit der Gemütlichkeit und eins,zwei g´suffa. Jetzt warten wir alle noch gespannt auf den völkischen Klingelton im NSAMBA-Abo.

altautonomer 5. Juni 2013 um 09:09  

Ähnliche Kritiken las ich auch schon über die Band "FreiWild". Die Frage ist, ob z. B. so banale Texte von Herbert Grönemeyer, die ein wesntlich größeres Publikum faszinieren, nicht dieselbe Wirkung (Indoktrination gepaart mit Verblödung)haben. Ich denke beim Thema Essen an den Titel "Currywurst" und daneben an "Bochum". Die Identifikation mit einer Region, einer Stadt bei subtiler Ausgrenzung derjenigen, die nicht "tief im Westen" beheimatet sind. "

ulli 5. Juni 2013 um 09:39  

Musik dieser Art passt bestens zu Merkels Europapolitik. Bis vor ein paar Jahren war es ja eine Grunderkenntniss der deutschen Politik, dass das Land niemals mehr einen Sonderweg einschlagen dürfe, dass die deutschen Desaster des 20.Jahrhunderts (1.Weltkrieg, Nazis und 2.Weltkrieg) wesentlich daher kamen, dass Deutschland sich zum Hegemon Europas aufschwingen wollte, und dass Deutschland und die anderen europäischen Länder sich von nun an immer auf Augenhöhe begegnen müssten. Kohl etwa, den ich langsam für einen bedeutenden Staatsmann halte (wer hätte das gedacht), wusste das ganz genau.

Angela Merkel hat dieses Grundparadigma der deutschen Nachkriegspolitik aufgekündigt. Deutschland diktiert dem Rest Europas die Sparpolitik, sieht sich selbst als einzigen Leistungsträger, die anderen als Faulenzer, unregierbare Chaoten, Halodris oder was weiß ich. Und schon kommen auch die Monster der deutschnationalen Kultur aus ihren Kellern gekrochen. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, inszeniert von einer unfähigen Politikerin, der offenbar jeder Sinn für Europa und die Bedeutung der europäischen Einigung fehlt.

Anonym 5. Juni 2013 um 11:48  

"Natürlich reißt man mit musikalischer Botschaft keine Schneisen"??

Doch: (mit engl. Untertiteln...)


www.youtube.com/watch?v=ysQH1IMGN3o

piet 5. Juni 2013 um 12:29  

@altautomat -Oder das Altbierlied der Toten Hosen, oder was ? Man kann, muß aber nicht alles mit einem Abwasch machen. Es ging ja hier z.B. um die szeneüblichen, braunen Anspielungen für einen Teil des Publikums, der sie versteht. Der Rest, wie geschrieben, hat sein Hirn schon entsorgt und merkt eh nix mehr, wenn auf die Heimatdrüse gedrückt wird.

der Herr Karl 5. Juni 2013 um 12:32  

Da wird meine Frau aber gar keine Freude haben, wenn ich ihr diesen Artikel zeige, denn sie ist ein grosser Fan von A. Gabalier.
Jedensfalls gut zu wissen, diese braunen Hintergründe über diesen leider sehr erfolgreichen Musiker.

Hartmut B. 5. Juni 2013 um 13:50  

Musik ist das beste Mittel zur Vorbereitung auf Kampf und Krieg !

Mit den früheren Heeren, selbst im WK II, zogen immer Musiker mit, die die Kampfmoral stärken sollten.

Dieser völkisch-Rock scheint mir die letzten Hirne mit ein wenig Verstand und Sinnesorganen zu betäuben. (I.d.R. waren hier die öfftl. rechtlichen Medien von ARD-ZDF schon recht erfolgreich.)

Ich frage mich jetzt schon, was war eher da: Brave new world oder brave new brain ?

Jedenfalls sehe ich für eine Zukunft Europas unter der Hörigkeit der Troika schwarz.

kevin_sondermueller 5. Juni 2013 um 15:29  

@piet – sehe ich genauso:
KLar ist Herbert Grönemeyer kein
intellektueller Liedermacher, aber
Musik mit einem lokalpatriotischen Touch ist Lichtjahre entfernt von
Völkisch/ Vollkitsch-Rock. Gilt auch
für kölsches Rockurgestein wie De Höhner , Blach Föös oder Brings (BAP muss ich leider inzwischen ausscheiden).
Gerade im Kohlenpott (un ooch in Kölle) hat Inklusion immer eine große Rolle gespielt. Da ging es nicht um mentale Grenzlinienziehung.
Und klar, die Toten Hosen sind als Düsseldorfer nun mal Altbier-Addicts.
Mit brauner Gesinnung hat das am Wenigsten zu tun: bisschen überspannt vom altauto, solche Interpetationsansätze aufzufahren …

ad sinistram 5. Juni 2013 um 15:44  

Sehe ich auch so. Grönemeyer hat seltsame Texte, denke da an dieses Lied, in dem er singt, die Erde sei gut, nur der Mensch schlecht. Das ist natürlich Unsinn, spinozistischer bzw. pantheistischer Käse, aber mehr schon nicht.

Hartmut B. 6. Juni 2013 um 02:58  

nach einigen Liedern, die ich mir anhörte, kann ich nur sagen.... so stell ich mir die Hölle vor.....

maguscarolus 6. Juni 2013 um 08:21  

Schon immer - spätestens seit der (einzigen?) großen türkischen Kulturleistung "Militärmusik", zieht man gerne "mit klingendem Spiel" zum Schlachten. Genau wie auch die "Militärseelsorge" ist die "Militärmusik" eine Hure, die sich stets an die Mächtigen ran wanzt.

nebelwind 6. Juni 2013 um 12:50  

Wie ich gerade so diesen Blog-Eintrag lese, brabbelt das Radio im Hintergrund: "Teilweise ragen nur noch die Dächer aus der braunen Brühe."

Fand ich lustig. Passt doch.

klaus baum 6. Juni 2013 um 12:54  

wenn man die bedeutung des aufrechten gangs bei bloch kennt, sagt das foto ja schon alles.

Anonym 6. Juni 2013 um 14:31  

Wieder vielen Dank für einen sehr guten Beitrag.

Natürlich ist Andreas Gabalier kein Politiker, Intellektueller oder Ideologe, aber trotzdem oder sogar gerade deshalb finde ich seine Selbstinszenierung und seinen Erfolg alles andere als harmlos. Er spielt bewusst mit "völkischen" Motiven und Assoziationen und testet aus, wie diese so aufbereitet werden können, dass sie als jung und cool wahrgenommen werden, und wie weit man dabei gehen kann. Damit trägt er dazu bei, das Spektrum dessen, was als akzeptabel gilt, allmählich nach rechts zu verschieben, bestimmte Positionen und Äußerungen wieder salonfähig zu machen. Insofern sehe ich ihn sowohl als einen Teil wie auch als ein Symptom eines allgemeinen, kaum merklichen aber stetigen "Rechtsrucks", der sich schon seit mehreren Jahren vollzieht.

Hartmut B. 6. Juni 2013 um 14:49  

@nebelwind
klasse Kommentar ! :-)

@Anonym 14:31

Eine sehr schöne, auch sprachlich elegante Zusammenfassung, der ich mich anschließen möchte. - Danke !

Stefan Rose 6. Juni 2013 um 17:03  

Oh Mann, ich habe mir mal den verlinkten Blogeintrag von lindwurm und den Artikel im Standard angesehen. Die dortigen Kommentatoren geben sich mehrheitlich wirklich alle Mühe, dem Bild, das die Gabalier-Kritiker zeichnen, zu entsprechen.
Ich meine mich auch zu erinnern, dass es in den USA im 2. Weltkrieg unter Studenten ein beliebter Partygag war, den Swastika Dance zu machen, der Gabaliers Pose ziemlich ähnelt (hatte mal irgendwo ein Bild gesehen, konnte nur leider keinen Beleg auftreiben).

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